Zurück ins Mittelalter

Peter Sloterdijks Ethik der Gabe steht in einer reaktionären Tradition

  • Thomas Wagner
  • Lesedauer: ca. 7.0 Min.

Mit seiner Forderung, sogenannten Leistungsträgern die Zahlung von Steuern künftig ganz zu erlassen und das Gemeinwesen durch freiwillige Spenden der Wohlhabenden zu finanzieren, hatte Peter Sloterdijk im Sommer 2009 in der »FAZ« eine lang andauernde Debatte um die gerechte Finanzierung unseres Gemeinwesens provoziert. Obwohl sein »Die Revolution der gebenden Hand« betitelter Artikel sachkundigen und energischen Widerspruch auch von konservativer Seite provozierte, ließ sich der Feuilletonliebling aus Karlsruhe davon kaum beeindrucken.

Ein Modell für die moderne Gesellschaft? Indianer in Alaska feiern den Potlatsch, ein Fest, dessen Gastgeber verschwenderisch Gaben an die Gäste verteilt. Der hier abgebildete Potlatsch fand 1892 statt. Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Ein Modell für die moderne Gesellschaft? Indianer in Alaska feiern den Potlatsch, ein Fest, dessen Gastgeber verschwenderisch Gaben an die Gäste verteilt. Der hier abgebildete Potlatsch fand 1892 statt. Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

Unbeirrt von der Tatsache, dass die Steuerbelastung der Besserverdienenden in den letzten Jahren nicht nur nicht gestiegen, sondern qua Herabsetzung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent sogar deutlich gesunken ist, beharrt er darauf: Erst die Umstellung von Zwangssteuern auf freiwillige Gaben »würde aus dem fiskalischen Mittelalter herausführen, in dem wir in quasi ungebrochener Kontinuität leben«. Das jedenfalls ist die Essenz seines wohl nicht zufällig ausgerechnet am Nikolaustag vorgelegten Büchleins »Die nehmende Hand und die gebende Seite« (Suhrkamp, 2010).

Gegen alle ökonomischen Fakten und eine Heerschar von klugen Argumenten, die bereits vor sechs Monaten in einem Sammelband zur Sloterdijk-Debatte dokumentiert wurden, verteidigt der Berufsphilosoph seine kruden Thesen darin ohne Abstriche als ernst gemeinte Reformvorschläge. Sein Vorstoß zur Abschaffung der Steuern für Wohlhabende habe sich »mit zwingender Konsequenz a...


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