Zensur durch die Hintertür
Spanisches Parlament stoppte umstrittenes Regierungsvorhaben
Die spanische Regierung unter Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero kann zunächst aufatmen. Am Dienstag hat das Parlament den umstrittenen Sparhaushalt 2011 verabschiedet, über den Zapatero zu stürzen drohte. Die sozialdemokratische Minderheitsregierung konnte dafür auf die Stimmen der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) zählen. Im Gegenzug werden Kompetenzen an die baskische Autonomieregierung übertragen, die ihr seit 30 Jahren vorenthalten werden. Die kleine »Kanarische Koalition« (CC) wiederum stimmte zu, um sich weitere Vorteile für ihre Region zu sichern, die längst ein Steuerparadies geworden ist. Zu dem Abkommen gehört auch, dass beide Parteien das geplante »Gesetz zum nachhaltigen Wirtschaften« absegnen. Zapatero will es bis Februar verabschieden, um langfristig den Staatshaushalt zu sanieren. Wirtschaftsministerin Elena Salgado spricht von wichtigen Instrumenten, um das Land aus der Krise zu führen und zu vermeiden, dass Madrid den EU-Rettungsschirm in Anspruch nehmen muss.
PNV und CC verweigerten ihre Stimmen aber dem Ansinnen, das nach der Kultusministerin Ángeles González-Sinde benannte »Sinde-Gesetz« zu stützen. Dieses war in dem Paket versteckt worden, obwohl es darin um neue Regelungen für das Internet geht. Das Gesetz wurde von der Wirtschafts- und Finanzkommission des Parlaments verworfen.
Teil des Entwurfs ist die Schaffung einer »Kommission für geistiges Eigentum« im Kultusministerium. Kritiker werfen der Regierung vor, sie wolle damit quasi durch die Hintertür eine behördliche Internetzensur im Schnellverfahren einführen, um die Kassen der Film- und Musikindustrie sowie der Autorenvereinigungen klingeln zu lassen. Dabei war das Gesetz schon etwas entschärft worden. Ursprünglich war sogar vorgesehen, dass ohne richterliche Kontrolle zensiert werden darf. Nun soll der Nationale Gerichtshof die Zensur auf Antrag der Kommission innerhalb von vier Tagen absegnen müssen.
Die breite Ablehnung der Pläne hat viel mit den Dokumenten zu tun, die über Wikileaks die Öffentlichkeit erreichten. Demnach haben die USA über die spanische Regierung massiven Einfluss auf den Gerichtshof genommen, um die Strafverfolgung von drei US-Soldaten zu unterbinden, die bei der Einnahme Bagdads den spanischen Kameramann José Couso ermordet hatten. Die Dokumente weisen ferner darauf hin, dass auch das Sinde-Gesetz unter massiver Einflussnahme der US-Botschaft mit heißer Nadel gestrickt wurde, um das Milliardengeschäft der Film- und Musikindustrie vor angeblicher Piraterie zu schützen.
Übrigens hat Zapatero mit Ángeles González-Sinde eine Lobbyistin der Filmindustrie im vergangenen Jahr ins Kabinett geholt. Sie war zuvor Vorsitzende der Akademie für Filmkunst und Filmwissenschaft und sitzt in der Direktion zweier Firmen aus der Branche, die eng mit ihrer Familie verbunden ist. Auf diese ging 2009 zur »Krisenbekämpfung« trotz harter Sparpläne ein Geldsegen nieder.
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