Werbung

Verwaiste Bahnhöfe, volle Straßenbahnen

Einstellung des S-Bahn-Verkehrs an der Stadtgrenze trifft erneut besonders die Pendler

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Verwaiste Bahnhöfe, volle Straßenbahnen

Gibt es ersatzweise Busse? Kann ich auf die U-Bahn oder Straßenbahn ausweichen? Wie viel mehr Zeit benötige ich für den Arbeitsweg? Diese Fragen stellten sich die Kunden der S-Bahn am Montagmorgen an Endhaltestellen. Denn auf vier Streckenabschnitten stellte die S-Bahn den Verkehr am Sonntag für unbestimmte Zeit ganz ein. Die abgesperrten Bahnhöfe blieben unbeachtet. Stattdessen drängelten sich die Menschen in Straßenbahnen und Busse.

Später, als die Züge nicht mehr ganz so voll waren, machte sich dagegen Gelassenheit breit. Liebevoll wurde in der M 17 ein nervöser Hund von in den Gängen stehenden Fahrgästen gestreichelt, Mathematik-Nachhilfe gegeben oder einfach ein neues Buch gelesen. Die Berliner haben sich scheinbar mit ihrer unzuverlässigen S-Bahn abgefunden.

Das neue Jahr begann damit am Montag für viele Arbeitnehmer und Schüler wie das alte endete. Für einige Bahnfahrer kam es mit dem Aussetzen des S-Bahn-Verkehrs sogar noch schlimmer. An 19 S-Bahnhöfen der Linien S 75 zwischen Wartenberg und Springpfuhl sowie zwischen Spandau und Westkreuz, der S 25 zwischen Henningsdorf und Schönholz sowie der S 5 von Strausberg nach Strausberg Nord mussten sich die Fahrgäste erst einmal neu orientieren.

Auch der Lichtenberger Bezirksstadtrat Andreas Geisel (SPD) ärgerte sich über die neuerlichen Beeinträchtigungen bei der Berliner S-Bahn. In seinem Bezirk wurde kein Bus-Ersatzverkehr eingerichtet, ebenso nicht auf dem Streckenabschnitt zwischen Westkreuz und Spandau. Die S-Bahn riet stattdessen, auf die Straßenbahnlinien M 17 und M 4 auszuweichen. Sie verkehrten am Montag wie üblich alle zehn Minuten, benötigen jedoch deutlich länger als die S-Bahn. Für Geisel ist dies keine Alternative. »Die Zahl der Fahrgäste in Hohenschönhausen ist so groß, dass dieses Versorgungsangebot keinesfalls ausreicht«, erklärte der Bezirksstadtrat, der selbst am Morgen in einer »kuschlig warmen« Tram fuhr. Er fordert kurzfristig eine Taktverdichtung der Tramlinien und zusätzliche Regionalzüge, die am Bahnhof Hohenschönhausen halten sollten. Außerdem kritisierte er die Fahrpreiserhöhung, die seit dem 1. Januar wirksam ist. Sie sei derzeitig »völlig ungerechtfertigt«.

Doch nicht nur die Berliner Randgebiete sind von den lahmgelegten Streckenabschnitten betroffen. Die Brandenburger Regionen seien »nahezu abgekoppelt«, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Brandenburger Landtag, Kornelia Wehlan. Für die Pendler aus Henningsdorf und Strausberg Nord wurde zwar ein Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet. Doch viele Bahnfahrer seien sauer und würden nun wieder auf das Auto umsteigen, vermutet Wehlan. Kurzfristig sieht sie keine Möglichkeit, die Situation zu verbessern. Die S-Bahn hätte frühzeitig reagieren müssen. Schließlich seien die Probleme bei Wartungsarbeiten und der Personalmangel bereits aus dem letzten Winter bekannt gewesen.

Siehe auch: Fotogalerie

Kein Zug, nirgends – am S-Bahnhof Hohenschönhausen
Kein Zug, nirgends – am S-Bahnhof Hohenschönhausen
Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.