S-Bahn lässt Berliner verzweifeln
BVG kann Ausfälle auf Dauer nicht kompensieren / Grube soll heute Lösung vorlegen
(dpa/ND). Tag für Tag hängt auf den Berliner S-Bahnhöfen Verzweiflung in der Luft. Zu Tausenden warten die Menschen frierend auf Züge, die nur noch in großen Abständen, zu spät oder gar nicht kommen oder mit so wenigen Wagen unterwegs sind, dass sie eigentlich wegen Überfüllung geschlossen werden müssten. In einigen großen Vorstädten wie Hennigsdorf, Erkner und Strausberg jenseits der Landesgrenze zu Brandenburg oder auch in Spandau kommen die Züge für Pendler gar nicht mehr.
Derweil fällt es den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) immer schwerer, die Missstände bei der S-Bahn zu kompensieren. Personell gebe es kaum Reserven, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz am Dienstag im »RBB-Inforadio«. Die Waggons der S-Bahn stauen sich unterdessen in langen Schlangen vor den Werkstätten, wo Mechaniker Züge enteisen, mit Defekten an Motoren oder Türen kämpfen, Achsen und Räder auf Risse untersuchen und gegen bruchfestes Material austauschen. Auch am Dienstag konnte die S-Bahn nach eigenen Angaben nicht einmal die Hälfte der 562 Doppelwagen einsetzen, die laut Vertrag auf den Gleisen sein müssten.
Früher beförderte die Tochter der Deutschen Bahn werktags etwa 1,3 Millionen Menschen. Heute schafft die S-Bahn nur noch den Transport von weniger als einer Million Passagiere täglich. Die Konzerntochter steht vor Problemen, die es so bei einem Bahnunternehmen in Deutschland noch nicht gegeben hat. Und an die Versprechungen von Bahnchef Rüdiger Grube, diese Probleme im Laufe des Jahres 2011 endgültig zu lösen, glaubt niemand mehr.
Dabei kam nach unzähligen Appellen an die Bahnspitze im Herbst 2010 ein wenig Zuversicht auf. Die S-Bahn schien den Betrieb stabilisieren zu können. Zudem wurden an die Fahrgäste Freifahrten im Volumen von 70 Millionen Euro ausgezahlt. Auch auf den Winter fühlte sich das Unternehmen diesmal gut vorbereitet: Reichlich Enteisungsmittel waren eingekauft und gut 90 Zugmotoren in Reserve gelegt worden. Dem regionalen Verkehrsverbund, der vor einem neuen Chaos auf den Schienen gewarnt hatte, warf S-Bahnchef Peter Buchner Panikmache vor. Die eisige Wirklichkeit belehrte das Management aber schnell eines Besseren.
Der Bahn hat die neue Pannenserie auch ein Glaubwürdigkeitsproblem beschert. Am 10. Januar soll Bahnchef Grube erneut im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses den Berliner Parlamentariern Rede und Antwort stehen. Was Berlins regierende Sozialdemokraten von ihm wollen, sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Christian Gaebler schon am Dienstag: »Wir erwarten die Einrichtung eines Krisenstabs S-Bahn Berlin unter Leitung eines Sonderbevollmächtigten des Konzernchefs mit entsprechenden Durchgriffsrechten in alle Konzernbereiche.« Die LINKE fordert die Bahn auf, der S-Bahn entzogene Mittel zurückzugeben. Außerdem müssten die Einnahmen durch die Fahrpreiserhöhungen an die BVG umgeleitet werden. Die oppositionelle CDU wirft dagegen den Landesregierungen in Brandenburg und Berlin Untätigkeit in der S-Bahnkrise vor.
Bis heute soll Bahnchef Grube Rot-Rot in Berlin brieflich Antwort stehen, wie er die Probleme zu beheben gedenkt – wieder mal.
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