Polens Kohlekumpel sind selbstbewusst
Gewerkschafter sorgen sich dennoch um Zukunft der Arbeitsplatze
Der 56-jährige Waclaw Czerkawski ist Vizevorsitzender der ZZG, der Gewerkschaft der Bergarbeiter in Polen. Das ist nicht der einzige, aber einer der stärksten Berufsverbände im polnischen Bergbau. 15 Jahre lang hat Czerkawski selbst unter Tage gearbeitet. »Seine« Grube ist allerdings längst geschlossen, wie so viele andere.
Polens Kohlebergbau hat laut Czerkawski 110 000 Beschäftigte, mindestens 200 000 weitere Arbeitsplätze sind unmittelbar damit verbunden. Vor gut zehn Jahren noch arbeiteten 400 000 Menschen in der Kohle, doch seither wurden 24 Zechen stillgelegt. Dennoch blieb Polen der mit Abstand größte Steinkohleproduzent in der EU.
Kein Wunder, denn 95 Prozent der Energie in Polen werden aus Kohle gewonnen. Andere Quellen gab es bisher nicht, Kohle entscheidet also über die Energiesicherheit des Landes. Auch deshalb verfolgen die Bergleute die Debatten in der EU über die Zukunft des Kohlebergbaus mit gemischten Gefühlen. Gerade wurde in Brüssel darum gestritten, ob Subventionen für den Steinkohlebergbau nur noch bis 2014 oder bis 2018 gezahlt werden dürfen. »Im Augenblick berührt das Polen nicht, denn bei uns wird der Kohlebergbau nicht subventioniert, im Gegenteil, der Bergbau zahlt – wegen verschiedener Abgaben – sogar Milliarden Zloty in den Staatshaushalt«, sagt Czerkawski, »wir wissen natürlich nicht, wie lange das so ist, deshalb sind wir dafür, dass die Frist für Subventionsmöglichkeiten verlängert wird.«
Polens Steinkohlebergbau ist noch immer weitestgehend in Staatsbesitz. Die Gewerkschaften befürworten allenfalls eine Teilprivatisierung, die strategische Mehrheit sollte beim Staat bleiben. »Private strategische Investoren akzeptieren wir nicht. Im Bergbau gibt es gute und schlechte Zeiten. Privatisierung würde in schlechten Zeiten garantiert Arbeitsplätze in Größenordnungen vernichten.« Als Beispiel nennt er die Grube Bogdanka im Lubliner Gebiet, die vor einigen Jahren geschlossen werden sollte. Proteste haben das verhindert. »Heute macht die Grube Gewinn, ist an der Börse, aber die Aktienmehrheit ist in Staatsbesitz.«
Die schlesische Kohle reiche noch für 200 Jahre, weiß Czerkawski und lässt sich durch Kritik wegen der Klimaschädlichkeit der Kohleverbrennung nicht beirren. Natürlich, wenn die EU-Richtlinien zur Klimapolitik in Polen sofort umgesetzt werden müssten, wäre das der Tod des Kohlebergbaus, verbunden mit dem Verlust zehntausender Arbeitsplätze. Deshalb seien alle Seiten an einem evolutionären statt eines revolutionären Wandels interessiert.
20 oder 30 Prozent erneuerbare Energien – darauf sei jedenfalls niemand in Polen vorbereitet. Und wenn man die riesigen Investitionen, die dafür notwendig wären, für eine effektivere Kohleverbrennung einsetzen würde, wäre das wirksamer, glaubt der Gewerkschafter. Und hat noch ein Argument: Russische Kohle, die im Falle eines Zurückfahrens des polnischen Bergbaus womöglich eingesetzt würde, um bestehende Kraftwerke weiter zu betreiben, sei vielleicht billiger, aber wesentlich schmutziger als die polnische.
Ungeachtet dessen sieht Czerkawski seine Kollegen heftigem Gegenwind ausgesetzt. In den Medien werde ständig auf Gefahren und Kosten des Bergbaus verwiesen. Seine Erklärung: Den Neoliberalen passt der Staatsbesitz nicht in ihre saubere Marktlehre. Und außerdem ist der Kohlebergbau die letzte starke Bastion der Gewerkschaften in Polen: Während im Landesdurchschnitt nur noch 14 Prozent der Lohnabhängigen gewerkschaftlich organisiert sind, beträgt die Gewerkschaftsdichte im Bergbau nahezu 100 Prozent. Das zeige die Kraft der Gewerkschaften, unter denen seine ZZG und die Solidarnosc die stärksten sind. Zu Verhandlungen seien sie stets bereit, aber wenn die nichts bringen, »müssen wir auch wieder auf die Straße gehen«.
Befragt nach polnischen Plänen für ein Atomkraftwerk, zeigt sich Waclaw Czerkawski vorerst unbekümmert: »Bis das fertig ist, werden wir noch eine ganze Menge Kohle verbrennen müssen.«
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