Warum schreien die nicht, bis da jemand rauskommt?

Der Theaterregisseur Volker Lösch über seine radikalen Chöre, die Elenden vor Hamburgs Hauptbahnhof und seine Verwunderung, warum Hartz-IV-Empfänger nicht massenweise vors Bundeskanzleramt ziehen

Schön ist das nicht. Genuss sieht anders aus. Edelmut der Kunst? Verfliegt in Ekel und Wut. Volker Lösch, 1963 in Worms geboren, hat in Dresden »Woyzeck« inszeniert, mit seiner Version von Hauptmanns »Webern« hat er des Dichters Erben zur Weißglut gebracht. Als er im Hamburger »Marat« eine Liste städtischer Millionäre vorlesen ließ, tobte die höhere politische Korrektheit – und blamierte sich. In Stuttgart brachte er »Dogville«, »Medea« und »Faust 21« auf die Bühne. Seine Chöre (Leitung: Bernd Freytag): intelligent-brachiale Massen-Szenen im Geiste Einar Schleefs, hart, heftig: Theater als dumpfes Klopfen aus dem Herz unserer sozialen Finsternisse. Löschs Poesie ist die der Schmutzränder. Be- und Verdrängte: Die Bühne ist deren Parlament. Regietheater als Lobbyismus. Volker Lösch, Leitungsmitglied am Schauspiel Stuttgart, im Gespräch mit Hans-Dieter Schütt.

Szene aus »Berlin Alexanderplatz« nach Alfred Döblin, Schaubühne am Lehniner Platz 2009
Szene aus »Berlin Alexanderplatz« nach Alfred Döblin, Schaubühne am Lehniner Platz 2009
ND: Volker Lösch, Sie tragen Glatze.
Lösch: Ich habe mir vor längerer Zeit die Haare abgeschnitten, gleichsam als Protest gegen mich selber, als Schnitt nicht ins eigene Fleisch, sondern ins eigene Äußere – das war das kleine sichtbare Zeichen für einen biografischen Bruch.

Warum?
Ich war mehrere Jahre Schauspieler, aber ich hatte nie das Gefühl, ein mich betreffendes Theater zu machen. Von einem auf den anderen Tag bin ich ausgestiegen, gründete eine freie Gruppe, habe seitdem nie wieder gespielt.

Ihre letzte Rolle?
Der »Marat« von Peter Weiss in Zürich.

Und den Abschied vom alten Leben markierte die Glatze. Reiner Tisch sozusagen.
Glänzender Abgang. (Lacht)

Sie studierten Ozeanografie, sind ein paar Jahre zur See gefahren.
Ja, ich bin gereist, ich habe viel gelesen, ich hatte verschiedenste Menschen in verschiedenen Länder kennen gelernt. Diese Wahrnehmungen waren mein Reichtum, diese Erfahrungen waren mein Kapital – ...










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