Hart arbeiten mit harten Jungs
Die Geschlechterordnung in der rechtsextremen Szene ist so starr wie verwundbar
Ein »Rollback« auch in der rechtsextremen Szene? Das klingt bizarr. Wohin sollen die »Ewiggestrigen« denn noch zurück? Aber Esther Lehnert, Mitherausgeberin des Buchs »Was eine rechter Mann ist. Männlichkeiten im Rechtsextremismus«, macht bei der Buchvorstellung in Berlin deutlich, dass allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen vor Neonazis nicht haltmachen. Während »Mädelsgruppen« etwa vor einigen Jahren verstärkt in Erscheinung getreten seien, allen voran die »Düütschen Deerns«, sei diese Tendenz wieder rückläufig. Gitta Schüßler, der »feministische Ansichten« vorgeworfen wurden, sei als Vorsitzende des Rings Nationaler Frauen durch die »alte Reckin« Edda Schmidt ersetzt worden. Und in Mecklenburg-Vorpommern legten im vorigen Jahr zwei Frauen, die in die Kommunalparlamente gewählt worden waren, ihre Mandate umgehend zugunsten nachrückender männlicher Parteikameraden nieder.
Die NPD stellt man sich vor allem als Männerverein vor, und militante »Kameradschaften« erst recht. Tatsächlich werden 95 Prozent der rechten Gewalttaten, Statistiken der Polizei zufolge, von Männern verübt. Die Mitglieder rechtsextremer Parteien sind zu drei Vierteln männlich, gewählt werden sie zu zwei Dritteln von Männern. Gerd Wiegel, Fachreferent für Rechtsextremismus und Antifaschismus der Linksfraktion, hält es für möglich, dass gerade deshalb zur Kategorie Männlichkeit im Rechtsextremismus bisher noch nicht allzu viel geforscht wurde, weil die Szene »so klar männlich« geprägt sei.
Der von Robert Claus, Esther Lehnert und Yves Müller herausgegebene Sammelband in der Reihe »Texte« der Rosa-Luxemburg-Stiftung will seinen Beitrag dazu leisten, das zu ändern. So stellt Esther Lehnert in ihrem Beitrag heraus, wie wichtig »richtige« Frauen und Männer – also jene starren, überkommenen Geschlechterstereotype – für die innere Ordnung der rechtsextremen Szene und ihre Konstruktion von der »Volksgemeinschaft« sind. Aber: »Gerade in der Statik und Starrheit der Ordnung liegt die Verwundbarkeit«, schreibt Lehnert. Weil sie um ihre innere Ordnung fürchteten, kämpften Rechtsextreme mit solcher Leidenschaft gegen Feministinnen, Schwule und Gender Mainstreaming.
Schwule Männer dürfe es in der Szene einfach nicht geben, berichtet der Genderforscher Robert Claus. Homophobie sei ein Kernelement rechtsextremer Ideologie, und jemanden der Homosexualität zu bezichtigen, sei ein gängiger Bestandteil des Machtgerangels unter Neonazis. Ihre Gewalttaten hätten oft homosozialen Charakter und dienten der Konstituierung einer eigenen »Hypermaskulinität«, schreiben Claus und Yves Müller in dem Beitrag »Männliche Homosexualität und Homophobie im Neonazismus«. Als Beispiel wird der grausame Mord an Marinus Schoberl in Potzlow angeführt, der zum Opfer wurde, weil er HipHop-Kleidung trug, bunte Haare hatte und »nicht so trinkfest wie seine Peiniger« war. Dagegen habe Michael Kühnen, der schwule Neonaziführer, seinerzeit »die Szene fast zerrissen«, fügt Lehnert hinzu. In der Schrift »Nationalsozialismus und Homosexualität« hatte dieser zwei Dinge zusammengebracht, die für die Mehrheit der Rechtsextremen miteinander unvereinbar sind.
In der Sozial- und Präventionsarbeit würden die Geschlechterstereotype meist noch verstärkt, kritisiert Lehnert. »Mit harten Jungs muss hart gearbeitet werden«, laute die Devise. Um nach rechts tendierende junge Männer »von der Straße« zu bekommen, animiere man sie etwa zum Boxen. Ein Beispiel Lehnerts, dass es auch anders geht – ein Mal-Workshop mit rechten Hooligans –, dürfte nach wie vor eine absolute Ausnahme bilden. Dem sei außerdem sehr, sehr viel Arbeit vorangegangen.
Robert Claus, Esther Lehnert, Yves Müller (Hrsg.): »Was ein rechter Mann ist ...« Männlichkeiten im Rechtsextremismus. Dietz Berlin. 255 S., Paperback, 14,90 Euro.
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