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»Faire Kritik ist willkommen«
Der Linkspartei-Landesvorsitzende zum Vorwurf, der Wirtschaftsminister sei eine Fehlbesetzung
ND: Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic sagte, Wirtschaftsminister Ralf Christoffers sei eine Fehlbesetzung, weil er die CCS-Technik zur CO2-Verpressung befürwortet. Wie sehen Sie das?
Nord: Auch ein anderer Wirtschaftsminister der LINKEN könnte im Kern nicht anders handeln, als Ralf Christoffers es tut. Der Koalitionsvertrag mit der SPD hält fest, dass sich Rot-Rot für die Erprobung und Demonstration der CCS-Technologie einsetzt. Dies geschieht jedoch unter dem Vorbehalt, dass Menschen und ihr Eigentum nicht gefährdet, die Nutzung der Grundstücke sowie die Lebensgrundlagen von Tieren und Pflanzen nicht beeinträchtigt werden. Zu diesem Kompromiss stehen die Partei und ihr Wirtschaftsminister. Worin sich Ralf Christoffers von der Linie der Partei unterscheidet, ist die Tatsache, dass er zu den Befürwortern von CCS gehört. Damit vertritt er in der LINKEN eine Minderheitenposition. Dies ist jedoch legitim und in Übereinstimmung mit dem Koalitionsvertrag.
Was holte die LINKE in den Koalitionsverhandlungen für die betroffenen Menschen heraus?
Wir haben in den Verhandlungen um jeden einzelnen Satz hart gerungen. Einig waren wir uns darin, neben der Steigerung der Energieeffizienz und Energieeinsparung den Anteil der Erneuerbaren Energien weiter auszubauen. Darüber hinaus hat die LINKE erreicht, einen Vorrang zum Ausbau erneuerbarer Energien festzuschreiben und die Energiestrategie 2020 des Landes diesbezüglich umzuschreiben. Die Verstromung der Braunkohle wird lediglich als Brückentechnologie bezeichnet. Bereits im Juli 2010 hat der Landesvorstand gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister viele inhaltliche Detailforderungen an ein mögliches CCS-Gesetz formuliert. Dazu gehört zum Beispiel die Frage des Reinheitsgrades des abgeschiedenen CO2, ein Interessenausgleich zwischen den betroffenen Regionen und Vattenfall und die klare Absage an eine Lex Brandenburg. Die Einhaltung dieser und weiterer Kriterien wird im Zentrum unserer Debatte stehen. Ob es ausreicht, die von allen für notwendig erachtete Akzeptanz vor Ort zu schaffen, muss sich noch zeigen.
Der Bürger neigt dazu, den Politikern zu misstrauen.
Dafür gibt es auch gute Gründe. Man denke nur an die Atompolitik, an Gorleben und Asse. Oder an das Versprechen des damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, der in den 90er Jahren zusicherte, Horno werde der letzte Ort in der Lausitz sein, der für den Braunkohletagebau abgebaggert wird. Jetzt stehen die Dörfer Grabko, Kerkwitz und Atterwasch zur Disposition. Vertrauen wird auch gefährdet, wenn man versucht, Klagewege abzukürzen. Das war nicht hilfreich und wurde korrigiert.
Im Programm zur Landtagswahl 2009 versprach die LINKE, sich gegen neue Tagebaue und gegen CCS zu engagieren. Warum tut die Partei dies nicht mehr?
Wir sind von unseren Zielen keineswegs abgerückt. Wir halten den mittelfristigen Ausstieg aus der klimaschädlichen Verstromung der Braunkohle – zumindest mehrheitlich – nach wie vor für richtig. Die brandenburgische LINKE bekannte sich 2009 zu dem Kompromiss im Koalitionsvertrag, bleibt aber ausgesprochen skeptisch gegenüber der CCS-Technologie. Dies entspricht der Stimmung in der Partei. Allerdings hat es weder bei den Landtagswahlen noch bei dem vorherigen Volksbegehren gegen neue Tagebaue eine Mehrheit für den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung gegeben. Das mussten und müssen wir zur Kenntnis nehmen, ob es uns gefällt oder nicht.
Wäre es nicht möglich gewesen, in der Opposition zu bleiben?
Diese Option gab es tatsächlich. Doch durften wir die Koalition an einer Frage platzen lassen, für die sich die überwiegende Mehrheit unserer Wähler nur am Rande oder überhaupt nicht interessiert? Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die LINKE kann in Brandenburg um die 400 000 Wähler mobilisieren. Doch das Volksbegehren gegen neue Tagebaue unterschrieben nur etwa 25 000 Menschen und dabei machten beim Volksbegehren noch die Grünen und mehrere Umweltverbände mit. Wir haben die Überlegung, Rot-Rot an der Kohle oder am Stellenabbau im öffentlichen Dienst scheitern zu lassen, breit diskutiert und am Ende entschieden, es nicht zu tun.
In der Niederlausitz interessiert die Zukunft der Kohle ungeheuer.
Natürlich, dort sind die Menschen ja direkt davon betroffen, wenn neue Tagebaue aufgeschlossen werden. Entweder fürchten sie, ihren Arbeitsplatz bei Vattenfall zu verlieren, oder sie bangen um ihre Heimat, um ihr Dorf. Aber schon in Beeskow unterschrieben nicht mehr Menschen gegen neue Tagebaue als anderswo, weil dort damals keiner wusste, dass Kohlendioxid aus der Kohleverstromung unter Beeskow verpresst werden könnte.
Ich bedauere, dass es so ist. Aber es nützt nichts, den Menschen Kurzsichtigkeit vorzuwerfen. Die LINKE muss soziale Wege für den ökologischen Umbau suchen, nur dann kann er Erfolg haben. Wer sorgt für einen sozialen Ausgleich, wenn aufgrund der energetischen Sanierung von Häusern die Mieten steigen? Wie können die Verbraucher an anderer Stelle entlastet werden, wenn die Strompreise anziehen und Benzin teurer wird? Dazu muss die LINKE politische Antworten geben. Da sind wir in einer anderen Situation als die Grünen. Deren Klientel ist mit technologischen Lösungen für die Umweltprobleme zufrieden. Die sozialen Kosten spielen dort kaum eine Rolle, da das Klientel der Grünen in der Regel über sehr hohe Haushaltseinkommen verfügt.
Sind die Grünen bei ökologischen Themen unschlagbar?
Auch die Grünen mussten bei umweltpolitischen Themen Kröten schlucken, als sie in Nordrhein-Westfalen und Hamburg mitregieren wollten. Dies ist schwieriger für die Grünen als für uns, da deren Kernthema schließlich die Ökologie ist, während wir als die Partei der sozialen Gerechtigkeit profiliert sind. Ich würde den Grünen ihr Einknicken jedoch nicht einmal vorwerfen. Fakt ist: Es gibt für entschiedenen ökologischen Fortschritt in der Bundesrepublik und in den Bundesländern keine Mehrheiten bei den Wählerinnen und Wählern. Ich bedauere dies, denn der sozial-ökologische Umbau ist eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft. Wir LINKE müssen uns dem stellen. Das betrifft nicht allein Brandenburg. Es handelt sich um ein globales Problem.
Neskovic rügte zum Beispiel auch, dass zu viel bei der Polizei gespart werde. Ärgert Sie das?
Kritik ist natürlich erlaubt, sogar willkommen. Wir organisieren uns diese sogar selbst, indem wir Regionalkonferenzen zu unserem Handeln in der Regierung veranstalten. Solche Möglichkeiten müssen jedoch auch wahrgenommen werden. Kritik sollte fair und solidarisch sein. Der Ton macht die Musik. Für mich besteht kein Zweifel, dass alle Landtagsabgeordneten und alle Minister der LINKEN hart daran arbeiten, um das Maximale für die Bürgerinnen und Bürger herauszuholen. Richtschnur ist der Koalitionsvertrag. Ausgangspunkt für Kritik muss die Realität und das gesellschaftliche Kräfteverhältnis sein. Wünschenswerte, aber nicht realisierbare Forderungen helfen uns nicht weiter.
Ein Beispiel für diese Bewertung ist die Polizeireform. Ausgangslage war das Vorhaben des früheren SPD-Innenministers, künftig nur noch 5000 Polizisten zu beschäftigen, kaum mehr als 15 Wachen, ein paar Garagen in der Fläche zu unterhalten und die Fachhochschule der Polizei zu schließen. Jetzt bleiben aller Voraussicht nach 7000 Polizisten, die Fachhochschule wird erhalten und die Wachen werden nicht geschlossen, sondern vermutlich nicht mehr rund um die Uhr besetzt sein. Das ist zwar weniger als heute, doch viel mehr, als ursprünglich vorgesehen war. Es gab Proteste der Gewerkschaft, es gab Unterschriftensammlungen und den Widerspruch auch einiger Sozialdemokraten. Die LINKE darf sich die erreichten Zugeständnisse also nicht allein anheften, aber unsere agierenden Landespolitiker haben erheblich zu diesen Verbesserungen beigetragen.
Interview: Andreas Fritsche
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