In die vorindustrielle Ära zurückgebombt

US-Verteidigunsminister Cheney feierte den »erfolgreichsten Luftkrieg aller Zeiten«

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 3 Min.
Als »erfolgreichsten Luftkrieg aller Zeiten« lobte der damalige US-Verteidigungsminister Richard »Dick« Cheney den 43-Tage-Krieg gegen Irak Anfang 1991. Auf ein Kriegsverbrechen mehr oder weniger kam es ihm dabei nicht an. Er verstand sie wohl durchaus als Teil der »Erfolgsbilanz«.

Die gigantische Luftarmada zerbombte nicht nur ganze irakische Divisionen, als sie sich bereits auf dem Rückzug aus Kuwait befanden, sie löschte auch das Leben Tausender Zivilisten aus. Dabei setzten die Kampfjets panzerbrechende uranhaltige Munition ein, die zu einer enormen Zunahme von Krebserkrankungen in der irakischen Bevölkerung und zur Umweltverseuchung führte.

Die Luftwaffe der Befreier Kuwaits bombte, wann und wo sie wollte. Menschenrechtsorganisationen dokumentierten Angriffe von Kampfjets auf Zivilpersonen, die in ihren Fahrzeugen auf der Flucht waren. Tanklastzüge auf dem Weg nach Jordanien wurden zerstört, ganze Beduinenfamilien ausgelöscht, obwohl ihre Zelte inmitten von Schafherden deutlich als ziviles Ziel zu erkennen waren. Der einzige Überlebende eines Angriffs am 22. Januar 1991 berichtete, dass vier Kampfjets über ihren Zelten gekreist seien und zwölf Raketen abgefeuert hätten. 14 Personen wurden dabei getötet. Die Zelte lagen mitten in der Wüste.

Die alliierte Luftwaffe zerstörte Schutzbunker, Elektrizitäts- und Wasserwerke, landwirtschaftliche Einrichtungen, Lebensmittelfabriken und Molkereien, Mehl- und Weizendepots, Straßen, Brücken, Kranken- und Wohnhäuser und verletzte damit internationales Völkerrecht, das in einer Reihe von Paragrafen vorschreibt, wie die Zivilbevölkerung in einem Krieg zu schützen ist und dass zivile Einrichtungen nicht angegriffen werden dürfen. Martti Ahtissari, stellvertretender UN-Generalsekretär aus Finnland, kam in seinem Bericht über die humanitären Folgen des Krieges später zu dem Ergebnis, dass Irak von einer modernen Gesellschaft in ein »vorindustrielles Zeitalter« zurückgebombt worden war.

In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1991 traf es den Amiriya-Bunker in Bagdad, in dem hunderte Einwohner des Stadtteils vor den Luftangriffen Schutz gesucht hatten. Eine präzisionsgesteuerte Bombe durchschlug das Dach des Gebäudes und tötete etwa 400 Menschen, nur wenige entkamen dem Inferno. Filmaufnahmen zeigen, wie die Opfer am nächsten Morgen nach und nach aus den Trümmern des Gebäudes geborgen und, eingewickelt in Decken, nebeneinander aufgereiht wurden: Frauen, Kinder, Alte.

Einige der Opfer überlebten mit schweren Verbrennungen und wurden von Hilfsorganisationen zur Behandlung ins Ausland gebracht. So auch der damals 17-jährige Ahmed, dessen Schwester den Angriff nicht überlebte. Wie durch ein Wunder sei ihm die Flucht gelungen, erzählte er zehn Jahre später bei einer Begegnung mit einer europäischen Friedensdelegation am Amiriya-Bunker, der zu einer Gedenkstätte geworden war.

Auch Veteranen des Golfkriegs 1991 gehörten zu der Friedensdelegation, die 2002 nach Bagdad kam, um gegen das UN-Embargo und neue Kriegspläne der US-Regierung zu protestieren. Mit dabei der frühere britische Soldat Bernard McPhillipps, der von dem Massaker im Amiriya-Bunker erst nach dem Ende des Krieges gehört hatte. Er erklärte, sich bei den Irakern entschuldigen zu wollen. Weder die britische Regierung noch die USA haben das jemals getan.

McPhillipps war selber Opfer des Krieges geworden. Als 23-jähriger Soldat hatte er für den Nachschub der Kampfjets zu sorgen und war dabei mit der uranhaltigen Munition in Berührung gekommen. Als McPhillips 2002 nach Bagdad kam, konnte er ohne Stock nicht mehr gehen, eine exakte Diagnose seiner Erkrankung gab es jedoch nicht. Allein in Großbritannien waren nach dem »Wüstensturm« 11 000 der 53 000 Soldaten, die dabei im Einsatz waren, erkrankt, Hunderte sind gestorben.

»1991 waren wir Feinde«, sagte McPhillips bei seinem Besuch in Bagdad zehn Jahre später, doch die Folgen des Krieges hätten die kranken Soldaten und die Iraker zu Schicksalsgefährten gemacht. Die Kriegsallianz gegen Irak 1991 trage nicht nur Verantwortung für die eigenen kranken Soldaten, sie müsse auch mit den Irakern die Folgen der uranhaltigen Munition untersuchen und Wiedergutmachung leisten.

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