Wo Felder waren, stehen jetzt Seen

Das Oderbruch leidet unter einem Binnenhochwasser und im Baumarkt sind Pumpen längst ausverkauft

  • Antje Scherer, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf die Frage, ob auch Gorgast in Märkisch-Oderland stark vom Binnenhochwasser betroffen sei, kann die Verkäuferin in der Bäckerei nur lachen: »Fragen Sie lieber, wer kein Wasser im Keller hat, das geht schneller!« Pumpen sind im Baumarkt längst ausverkauft – aber wer das dreckige Wasser aus dem Haus befördert, merkt, dass es unterirdisch wieder nachfließt. Ines Tomczek erhält jeden Morgen einen guten Überblick über die Stimmung im Ort. Die Leute kaufen bei ihr Frühstücksbrötchen und tauschen am Tresen Informationen über Wasserstände und Wetterprognosen aus. Hinter Podelzig beginnt die Gegend, wo sich rechts und links der Straße Seen ausdehnen.

»Manchmal wird einem das zu viel, man ist ja selber auch betroffen. Aber besonders die alten Leute haben so viel Angst, die müssen einfach darüber reden.« Auch bei ihr selbst ziehe die Nässe hoch in die Wohnräume, es stinke und Schimmel drohe. Tomczek sagt, sie sei überzeugt davon, dass viele Einwohner versuchen würden, aus dem Oderbruch fortzuziehen. »Die Versicherung zahlt nicht für Wasser von unten und hier hat jeder zweite keine Arbeit. Von was soll man sich denn neu einrichten?«

Die Verkäuferin erzählt ihre Geschichte ganz ruhig – und auch sonst sucht man im versinkenden Oderbruch vergebens Anzeichen von Panik. Eher spürt man bei den Menschen eine Art stoischen Durchhaltewillen. Auch bei Dirk Wegner, der im »Cüstriner Landgut« den Bereich Landwirtschaft leitet. Etwa 400 000 Euro Schaden seien bislang entstanden, wie sein Chef, Bernd Kutzke, ausgerechnet habe. Mehr als die Hälfte seiner 1200 Hektar Ackerfläche stehe unter Wasser. Kein Feld kann betreten werden. »Vielleicht hätten wir doch öfter in die Kirche gehen sollen?«, fragt Wegner.

Tiefe Fahrrinnen zeugen noch von dem vergeblichen Versuch, mit gemieteten Spezialfahrzeugen wenigstens einen Teil der Felder zu bestellen. Die Putenmast habe der Betrieb aus Mangel an verwertbarem Stroh schon so gut wie eingestellt. »Wir haben Felder, auf denen seit August pausenlos Wasser steht.« Versunken ist die Koppel, auf der die Rinder des Gutes normalerweise weiden.

Planen könne der Betrieb derzeit überhaupt nicht. Die Existenz sei bedroht, auch wenn jetzt Bagger einen Entlastungsgraben ziehen sollen. »Uns rennt die Zeit davon«, sagt Wegner. Schon im Februar müsste er eigentlich bereits Felder für die Aussaat vorbereiten. Dass bis dahin alles abgeflossen und getrocknet sein könnte, daran glaubt er nicht. Auch im Keller unter seinem Büro steht das Wasser. Noch hat es den Holzofen nicht erreicht.

Auch wenn überdurchschnittlich viele Regenfälle in den vergangenen beiden Jahren die Situation verschlimmert haben. Viele Menschen schauen verärgert ins ferne Potsdam. »Wurde doch seit Jahren nichts gemacht hier an den Gräben«, sagt ein Rentner in Manschnow. Dass sich daran in Zukunft etwas ändern wird, denkt er nicht. »Bei der Regierung doch nicht!« Dabei lobte erst Ende vergangener Woche Landrat Gernot Schmidt (SPD) das Engagement des Landes. Die Regierung will einen Sonderbeauftragten einsetzen. Er soll eine enge Abstimmung zwischen Land, Kreis und Gemeinden sicherstellen und Schmidt beraten. In dieser Woche soll der neue Beauftragte benannt werden. Das Land hatte zudem 13 Millionen Euro für die Verbesserung der Abflussverhältnisse zugesagt, der Gewässer- und Deichverband Oderbruch soll jährlich 1,3 Millionen Euro bekommen. Doch zunächst heißt es für die rund 20 000 Menschen im Oderbruch warten.

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