Bezirk wird Schlossbauherr in Biesdorf
Marzahn-Hellersdorf übernimmt nach Ausstieg der Denkmalstiftung den Wiederaufbau der Siemens-Villa
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Der so treffend formulierten Erkenntnis Wilhelm Buschs musste sich dieser Tage auch das Marzahn-Hellersdorfer Bezirksamt stellen. Drohte doch der geplante Wiederaufbau des Biesdorfer Schlosses zu kippen. Grund: Die vor zwei Jahren als Bauträger gewonnene Stiftung Denkmalschutz Berlin hatte sich überraschend aus dem Projekt zurückgezogen. Das teilte Finanzstadtrat Stefan Komoß (SPD) kürzlich mit.
Den Ausschlag dafür habe gegeben, dass die EU-Förderrichtlinien es nicht zulassen, einen Generalunternehmer mit dem Vorhaben zu beauftragen, so wie es die Stiftung vorsah. Unverständlich ist allerdings, weshalb man sich jetzt erst dieser Tatsache bewusst wurde. Eine Erklärung dafür hatte der Finanzstadtrat jedenfalls nicht parat. Stattdessen verwies er auf die Stiftung. Doch diese hüllt sich bereits seit Wochen in Schweigen.
Dabei hatte es zunächst den Anschein, man sei kurz vor dem Ziel. Noch im November hieß es, der Förderbescheid für 3,75 Millionen Euro sei unterwegs. Unter diesem Druck musste nun ein geeignetes Ausweichquartier für das im Schloss seit Jahren betriebene Stadtteilzentrum gefunden werden, um während der zweieinhalbjährigen Bauzeit weiter Veranstaltungen anbieten zu können. Das inzwischen gefundene neue Domizil, im früheren Verwaltungsgebäude der BSR, Alt-Biesdorf 15 und unweit der Turmvilla, wurde eigens vom Bezirk dafür hergerichtet.
Indes gibt der Bezirk seine Pläne nicht auf. Zuviel Engagement hat er schon in das 7,5-Millionen-Euro-Projekt gesteckt und nicht zuletzt 250 000 Euro aus dem ohnehin knappen Haushalt für das zu erbringende Eigenkapital abgezwackt. Schließlich soll das Schloss mit der künftigen Galerie »Bilderstreit« nach Ende der Bauphase mit DDR-Kunst aus Beeskow die Besucherzahlen in die Höhe treiben und damit Biesdorf zum kulturtouristischen Anziehungspunkt machen.
Vor die neue Situation gestellt, beschloss das Bezirksamt, das 1945 durch einen Brand zerstörte Dachgeschoss nunmehr in eigener Regie zu errichten. Das hauseigene Immobilienmanagement wird dafür Planer, Architekten und Firmen beauftragen. Die Kulturverwaltung des Senats wolle das Vorhaben unterstützen, ließ Komoß wissen, auf ein Gespräch mit Staatssekretär André Schmitz verweisend. Die EU-Gelder müssten allerdings erneut beantragt werden. Dagegen sei ein neuer Antrag bei der Deutschen Klassenlotterie nicht erforderlich. Die bereits bewilligten 3,5 Millionen Euro würden im Einverständnis mit den Denkmalschützern auf den Bezirk ausgestellt. Fest steht, dass sich das Vorhaben um Monate verzögern wird. Komoß hofft, im zweiten Quartal 2012 mit den Bauarbeiten beginnen zu können. Wenn der Zeitplan aufgeht, könnte die über 140-jährige Turmvilla Ende 2013 ihre ursprüngliche Gestalt wieder erlangt haben.
Auch den Verein zur Betreuung arbeitsloser Leute und Lebenshilfe (Ball e.V.), der das Stadtteilhaus betreibt und ursprünglich Ende März in sein neues Domizil ziehen wollte, versetzt die Bauverzögerung in eine veränderte Lage. »Wir werden auf Wunsch des Bezirksamtes zunächst im Schloss verbleiben», sagt Noch-Hausherr Peter Bielig. Ohnehin könnten aufgrund der Kürzung des Arbeitsförderprogramms der Bundesregierung beide Häuser weder personell noch finanziell gestemmt werden. Komoß habe nunmehr den Verein beauftragt, bis 1. Februar ein Konzept vorzulegen, wie das Schloss in den kommenden anderthalb Jahren genutzt werden könne. Fakt sei, dass mit der stark reduzierten Mannschaft Abstriche gemacht werden müssten. Was mit dem Ausweichquartier passieren wird, muss noch geklärt werden. »Wir werden in beiden Häusern Angebote für das Nachbarschafts- und Gemeinwesen vorhalten«, sagte Bürgermeisterin Dagmar Pohle (LINKE) gegenüber ND.
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