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Was schluckt ein Schwarzes Loch?

Forscherteam stellt lang gehegte Vermutung in Frage

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Astrophysik geht es weithin finster zu: Schwarze Löcher, Dunkle Materie, Dunkle Energie. Von Anfang an war umstritten, ob all diese Gebilde, die Forscher eingeführt hatten, um unter anderem Widersprüche zwischen Theorie und Beobachtung zu aufzulösen, auch real existieren. Bei den Schwarzen Löchern zweifelt daran inzwischen niemand mehr, obgleich es noch immer nicht gelungen ist, direkte Belege für deren Existenz zu erbringen. Aber auch dieser Mangel könnte bald behoben werden: Auf der Jahrestagung der American Astronomical Society, die letzte Woche in Seattle stattfand, berichtete Karl Gebhardt von der University of Texas, dass er und seine Kollegen das bislang massereichste Schwarze Loch in unserer kosmischen Nachbarschaft aufgespürt hätten. Es befindet sich im Zentrum der Galaxie M87, ist 52 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und wiegt soviel wie 6,6 Milliarden Sonnen. Sein Ereignishorizont, also der Bereich, aus dem nicht einmal Licht zu entkommen vermag, reicht dreimal so weit wie die Bahn des Zwergplaneten Pluto im Sonnensystem. Es sei daher gut möglich, erklärte Gebhardt, dass sich dieser Ereignishorizont bereits mit der nächsten Generation von Großteleskopen direkt beobachten lasse.

Wie aus weiteren Messungen hervorgeht, ist die Rotationsgeschwindigkeit von M87 im Zentrum am höchsten, fällt dann nach außen hin ab und steigt am Rand wieder an. Auch für dieses sonderbare Verhalten haben Astrophysiker eine Erklärung: Galaxien, die im Zentrum über ein massereiches Schwarzes Loch verfügen, sind von einem Bereich aus Dunkler Materie umgeben, der weit über den sichtbaren Rand der Galaxie hinausreicht und dafür sorgt, dass die äußeren Sterne entsprechend beschleunigt werden. Zwischen der Größe dieses Dunklen Halos und der Masse des Schwarzen Lochs besteht eine positive Korrelation. Das heißt: Je schwerer das Schwarze Loch einer Galaxie ist, desto größer fällt der Dunkle Halo aus. Manche Astrophysiker vermuten deshalb, dass das Wachstum Schwarzer Löcher unmittelbar von der Dunklen Materie beeinflusst wird.

Allerdings gibt es noch eine zweite auffällige Korrelation, nämlich die zwischen der Masse eines Schwarzen Lochs und dem Bulge der Galaxie, in deren Zentrum es liegt. Als Bulge (engl. Ausbuchtung) bezeichnet man in der Astronomie den Zentralbereich namentlich von Spiralgalaxien, der sich von anderen galaktischen Bereichen abhebt und wegen seiner hohen Dichte viel heller erscheint.

Hinter welcher der beiden Korrelationen verbirgt sich nun womöglich eine kosmische Kausalität? Um dies herauszufinden, haben Ralf Bender vom Garchinger Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und John Kormendy von der University of Texas Galaxien untersucht, die trotz eines massereichen Dunklen Halos nur kleine oder gar keine Bulges besitzen. Dabei stellten sie fest (»Nature«, Bd. 469, S. 374), dass die Schwarzen Löcher in solchen Galaxien von sehr geringer Masse sind. Davon ausgehend scheint das Wachstum von Schwarzen Löchern unmittelbar an die Entstehung eines Bulges geknüpft zu sein. Es sei ohnehin schwer vorstellbar, meint Bender, dass »eine über große Entfernungen dünn verteilte Dunkle Materie das Wachstum eines Schwarzen Lochs in einem winzigen Raum tief im Innern einer Galaxie beeinflussen könnte«. Stattdessen deutet alles darauf hin, dass Schwarze Löcher sich vorrangig von gewöhnlicher Materie aus Gas und Staub »ernähren«, die in ihrer kosmischen Umgebung reichlich vorhanden ist.

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