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Christoffers unter Druck
LINKE kritisiert Entscheidung ihres Wirtschaftsministers zur Kohlendioxid-Lagerung
Der Streit um eine Erkundung von Kohlendioxid-Endlagern in Brandenburg trifft die LINKE tief ins Mark. Fraktionschefin Kerstin Kaiser probte gestern den Spagat: Einerseits missbilligte sie diesbezügliche Entscheidungen von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers. Andererseits stellte sie sich mit dem Verweis auf den Koalitionsvertrag auch wieder vor ihren Parteifreund.
Christoffers hatte vor einigen Tagen kraft seines Amtes die Genehmigung für den sogenannten Hauptbetriebsplan des Energiekonzerns Vattenfall erteilt, was als wichtiger Schritt hin zur Endlagerung von verflüssigtem Kohlendioxid gilt. Diese so genannte CCS-Technologie ist aber umstritten und wird vor allem in jenen Regionen offensiv abgelehnt, die für eine solche »Verpressung« in Frage kommen. Und das ist in erster Linie der Landkreis Oder-Spree mit der Kreisstadt Beeskow.
Unsicherheit herrscht vor allem zur Frage, ob diese Genehmigung jetzt als Durchbruch zur Verpressung betrachtet werden kann. Der Konzern ist diesbezüglich zum Erfolg verurteilt. Denn ohne eine Einlagerung von Kohlendioxid ins Erdreich läuft die Braunkohleförderung und –verstromung in Brandenburg aus. Christoffers' Genehmigung war »die falsche Entscheidung zum falschen Zeitpunkt«, sagte Fraktionschefin Kerstin Kaiser gestern. Was da geschah, sei »gesellschaftlich und politisch nicht akzeptabel«. Gerade in der eigenen Partei war der Aufschrei groß. In ihrem Wahlprogramm hatte die LINKE der CCS-Technologie eine Absage erteilt.
Und diese Auffassung gelte nach wie vor, unterstrich die Fraktionschefin. Die Risiken seien nicht klar, und eine gesetzliche Grundlage des Bundes existiere derzeit auch nicht. Kaisers Auffassung nach hätte diese Bundesregelung vor einer Genehmigung erst abgewartet werden müssen.
»Christoffers ist anderer Auffassung als die Mehrheit der LINKEN«, sagte Kaiser unumwunden. In der eigenen Partei wird ihm vorgehalten, ohne Not »vorgeprescht« und ein »Vattenfall-Lobbyist« zu sein. Andererseits habe Christoffers laut Kaiser »seine Gründe« gehabt. Er sei an die Gesetze und den Koalitionsvertrag gebunden. Und der halte die Möglichkeit offen, das CCS-Verfahren zu erproben. Da sie selbst an diesem Vertrag mitgearbeitet habe, müsse sie sich auch zur eigenen Verantwortung bekennen.
Unterstützung erhielt Christoffers u.a. von der Landtagsabgeordneten Margitta Mächtig. »Der Vorwurf, der Minister sei Vattenfall-Lobbyist, negiert bewusst oder unbewusst, dass es Verfahrensregeln gibt, die auch durch einen Wirtschaftsminister der LINKEN umzusetzen sind.« Sie könne dem Schritt Christoffers' auch positive Seiten abgewinnen: Mit der jetzigen Genehmigung und damit den Planungen möglicher CCS-Speicherorte liege die Voraussetzung vor, dass die Stadt Beeskow umgehend Widerspruch dagegen einlegen kann und so Klarheit für alle Beteiligten hergestellt wird.
Der Minister selbst warb in der Vergangenheit für Probebohrungen, da nur dadurch festzustellen sei, ob die erforderliche Sicherheit gewährleistet werden könne. »Die Sicherheit der Bevölkerung steht an erster Stelle. Wenn sie nicht gewährleistet werden kann, wird nicht gespeichert«, hatte Christoffers gesagt.
Kaiser bestritt, dass der Wirtschaftsminister die Landesführung bewusst in Unkenntnis gelassen habe, um danach in enger Abstimmung mit Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) die Genehmigung zu erteilen. Gegenüber den eigenen Genossen habe er zugesagt, deren »Argumente zu berücksichtigen«. Wenn er geahnt hätte, wie wenig vermittelbar sein Vorgehen ist, hätte Christoffers anders entschieden, glaubt sie.
Die Genehmigung bedeutet aber nicht, dass mit der Erkundung begonnen werden kann. Es sei kein Zug in Gang gesetzt, der nicht mehr zu stoppen ist, so Kaiser. Sie räumte ein, dieser Schritt habe die Akzeptanz der CCS-Technologie unter den Brandenburgern nicht gestärkt. Sie könne in diesem Zusammenhang auch Rücktrittsforderungen aus der Basis »nachvollziehen« und den »Unmut, der sich auf diese Weise Bahn bricht«.
Morgen will Kerstin Kaiser eine Basiskonferenz ihrer Partei in Beeskow besuchen. Dort ist der Aufruhr besonders groß. Christoffers wird ihr zufolge dort nicht anwesend sei.
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