Terrorangriff als Restrisiko

Die Umweltorganisation Greenpeace klagt in Karlsruhe gegen die Atom-Laufzeitverlängerung

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Umweltorganisation Greenpeace klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Laufzeitverlängerung für die ältesten Atomkraftwerke. Die Chancen dieses Vorstoßes stehen gar nicht so schlecht.

Nach der Normenkontrollklage mehrerer Bundesländer gegen die von der Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke liegt nun beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine weitere Klage vor. Donnerstag früh gegen acht Uhr müsse die Klageschrift vorgelegen haben, sagte Ulrich Willenteit gestern in Berlin. Der Rechtsanwalt, der sich nach eigenen Angaben schon seit 20 Jahren mit Verwaltungs- und Atomrecht befasst, vertritt die von der Umweltorganisation Greenpeace angeschobene Klage – mit »guten Erfolgsaussichten«, wie er selbst meint. Bei der Klage geht es – anders als im Fall der Bundesländer – nicht um die Frage, ob das Gesetz verfassungsgemäß zustande gekommen ist oder ob der Bundesrat nicht ausreichend einbezogen wurde. Greenpeace und einigen privaten Klägern, die Anwohner der sieben ältesten deutschen Meiler sind, gehe es um die »Inhalte«, so Willenteit. Kern seiner Argumentation ist, dass die Bundesregierung mit der Laufzeitverlängerung ihre verfassungsmäßigen Schutzpflichten gegenüber den Bürgern verletze. Ausgerechnet ihre ältesten Reaktoren dürften die Betreiber für zehn Jahre weiterlaufen lassen, ohne nennenswerte Sicherheitsnachrüstungen vorzunehmen.

Die Nutzung der Atomkraft sei in Deutschland eigentlich »nur deswegen legal«, weil sich die Regierung zum Schutz der Bürger auf die Nutzung der bestmöglichen Technik verpflichtet habe. Davon könne aber keine Rede sein. Besonders die Altreaktoren wiesen schon im Normalbetrieb Sicherheitsmängel auf und würden nicht einmal den Absturz eines kleinen Flugzeugs unbeschadet überstehen, so Willenteit. Dabei geht die Klage auch auf die Gefahr eines terroristischen Anschlags etwa mit einem entführten Flugzeug ein, den auch das BKA nicht für ausgeschlossen hält.

»Lassen Sie mich einen Monat in meinem alten Flugzeug üben, dann treffe ich jedes Kraftwerk – auch ohne Sicht«, sagt auch der frühere Lufthansapilot Jörn Burger, der als Anwohner des AKW Biblis privat geklagt hat. »Offenbar möchte mir ansonsten niemand mein Recht auf körperliche Unversehrtheit garantieren«, begründet Burger seine Klage.

Besonders ärgerlich – aber andererseits auch juristisch angreifbar – findet Anwalt Willenteit dabei den Paragrafen 7 d in der 12. Novelle zum Atomgesetz aus dem Dezember 2010. Dort heißt es nämlich, dass etwaige Flugzeugabstürze auf AKW zum der Allgemeinheit zumutbaren »Restrisiko« gehörten. Hier versucht die Regierung aus Willenteits Sicht, ein ihr nicht genehmes Urteil juristisch zu unterlaufen: Erst 2008 hatte das Leipziger Bundesverwaltungsgericht, ebenfalls auf Betreiben Willenteits, in einem Urteil zum Zwischenlager in Brunsbüttel gerade das Gegenteil befunden – und sich dabei ausdrücklich auf das Grundgesetz berufen.

In Deutschland sind heute noch 17 Atomkraftwerke an 12 Standorten in Betrieb – auch die jüngsten sind schon über 20 Jahre alt. Keines dieser Kraftwerke würde den Absturz eines großen Flugzeugs überstehen, ist sich Greenpeace- Atomexperte und Kernphysiker Heinz Smital sicher.

Karlsruher Verfahren können lange dauern – doch sei in diesem Fall auf eine schnelle Entscheidung zu hoffen, weil auch andere Klagen in der Sache vorlägen, meint Ulrich Willenteit.

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