Kulturring im Nordosten bedroht

Geschäftsführer beklagt Zerstörung sozialer Infrastruktur / Aus für Einrichtungen nach Kürzungen

  • Klaus Teßmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Kulturring in Berlin e. V. ist einer der ersten großen freien Träger in Berlin, der unter den veränderten Bedingungen der Arbeitsmarktpolitik zu leiden hat. Die ersten Einrichtungen in Marzahn und Steglitz mussten bereits geschlossen werden. »Das ist doch ein Prozess, der sich schon seit einigen Jahren hinzieht«, betonte der Geschäftsführer des Kulturrings, Ingo Knechtel. »Die freien Träger haben immer weniger Geld bekommen, sollten aber die gleichen Leistungen für die Kieze bringen.«

Knechtel verweist auf die Landespolitik der vergangenen zwei Jahrzehnte. Die freien Träger haben den Auftrag bekommen, die Infrastruktur in den Kiezen aufzubauen. Sie sollten Angebote für Kultur, Jugend und Soziales schaffen. »Nun ist die Berliner Politik gefragt, ob sie diese sozio-kulturelle Infrastruktur weiter haben möchte oder nicht«, meint Knechtel. In den vergangenen Jahren haben die freien Träger versucht, die sinkenden finanziellen Mittel auszugleichen. Sie haben immer mehr Langzeitarbeitslose in Maßnahmen genommen, um die Häuser zu finanzieren. Denn an jeder geförderten Arbeitsmaßnahme hingen auch die Mittel für die Bewirtschaftung der Einrichtungen. »In diesem Jahr haben wir einen Stoß bekommen, so dass viele Träger nicht mehr weiter können und teilweise auch nicht mehr wollen«, beschreibt Knechtel die Situation.

Fast zwei Jahrzehnte lang hat der Kulturring Langzeitarbeitslosen »die Chance für eine sinnvolle Aufgabe gegeben«. Dabei sieht Knechtel auch, dass die »Chance für einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt für viele der Betroffenen ganz weit entfernt ist«. Die freien Träger haben den Menschen ein neues Selbstwertgefühl vermittelt: »Wir haben ihnen das Gefühl gegeben, dass sie in der Gesellschaft gebraucht werden.« Für Knechtel ist von der schwarz-gelben Bundespolitik ein herber Schlag geführt worden: »Die Politik geht ganz einfach davon aus, dass die Leute nicht arbeiten wollen.« Für Knechtel ist es auch der falsche Weg, wieder den Schwerpunkt auf Bildung zu legen. »Die meisten Menschen haben in den vergangenen Jahren schon viele Kurse besucht, die aber nicht zu einem festen Arbeitsplatz geführt haben.« Als katastrophal für die Menschen in den Kiezen beschreibt Knechtel die Situation, dass viele Angebote wegfallen. Noch versuchten die größeren freien Träger das zu überbrücken, aber lange hielten sie nicht durch.

Der Kulturring ist in fast allen Berliner Bezirken tätig; so kann Ingo Knechtel einschätzen, dass die Situation sehr unterschiedlich ist. In Treptow-Köpenick konnten beide Einrichtungen erhalten bleiben, für dieses Ergebnis gab es aber auch »intensive Verhandlungen zwischen Bezirk und Jobcenter«. Aber auch in Steglitz-Zehlendorf steht der Medienpoint vor dem Aus. Die größten Auswirkungen hat die neue Arbeitsmarktpolitik in Marzahn-Hellersdorf. Die Galerie Klin in Marzahn-Nord wurde bereits geschlossen. »Wir wollen die Künstler aber beim Kulturring halten und werden sie weiter betreuen«, erklärte der Geschäftsführer. Das Tschechow-Theater in Marzahn-Nord wird noch über das Quartiersmanagement finanziert.

Ganz schlimm sieht es für das Kulturforum in Hellersdorf aus. Dort sind von ehemals 40 Mitarbeitern nur zwei geblieben. Das Kulturforum wird nicht geschlossen, aber es wird Einschränkungen geben. »Der Charakter der Veranstaltungen wird sich ändern, denn die Betriebskosten bleiben und die müssen erwirtschaftet werden.« Alle Kurse im Haus sind abgesichert – noch.

»Wir müssen auch mehr auf die ehrenamtliche Arbeit setzen«, kommentiert der Geschäftsführer und hofft darauf, dass viele ehemalige Mitarbeiter aus den geförderten Arbeitsmaßnahmen weiter treu zum Kulturring stehen werden.

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