Facebook im langweiligen Landtag

Im Internet geben sich manche Brandenburger Politiker offener als im politischen Leben

  • Anja Sokolow, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Im sozialen Netzwerk Facebook im Internet outen sich Brandenburgs Landtagsabgeordnete schon mal als Fans von Lena Meyer-Landrut oder zeigen Fotos von sich in Badehose. Informationen über politische Aktivitäten mischen sich mit Mitteilungen von oft fragwürdigem Wert für andere. Facebook eignet sich außerdem für virtuelle Diskussionen, die gern auch schon mal parallel zu offiziellen Sitzungen laufen. Anwender können ihren »Freunden« nämlich eine Mitteilung auf die »Pinnwand« schreiben. Diese können nicht nur vom Empfänger gelesen und kommentiert werden; wer es zulässt, auch von anderen Nutzern.

Sören Kosanke (SPD) zum Beispiel. Mit einem Eintrag auf seiner Pinnwand sorgte er für Gesprächsstoff unter Kollegen und Außenstehenden. Wenige Minuten nach Sitzungsbeginn schrieb er: »erste Sitzung des Wirtschaftsausschusses in diesem Jahr, der Kaffee schmeckt genau so wenig wie im letzten«. Eine Minute später kommentierte Thomas Domres (LINKE): »also ich trinke Tee«. Dierk Homeyer (CDU) ergänzt: »Die Stimmung ist auch nicht besser als der Kaffee«. Nicht-Ausschussmitglieder kommentieren: »Ihr sollt arbeiten und nicht Kaffee trinken« oder »na das nenne ich mal transparente Abgeordnetentätigkeit«. Und Klara Geywitz (SPD) meldet: »ich dachte, mir ist langweilig...«

Die Abgeordneten sind gut vernetzt. Viele haben Facebook-Seiten, auf denen sie über sich und ihre Vorlieben berichten, Freundschaften schließen und sich austauschen. Drei von fünf Brandenburger Grünen-Abgeordneten gehören zur Facebook-Gemeinde. Von FDP, CDU und LINKER präsentiert sich dort etwa jeder zweite Abgeordnete, von der SPD nur jeder vierte. Die Parteigrenzen verschwimmen oft, man ist untereinander »virtuell befreundet«.

Viele Politiker sind oft online. Sabine Niels (Grüne), die mit mehr als 900 Kontakten wohl auch den größten Freundeskreis hat, informiert nicht nur über Gen-Kartoffel-Anbau, sondern schreibt auch: »Wir machen Urlaub in Bochum. ...Kinderarzt aufgesucht«. Barbara Hackenschmidt (SPD) lässt ihre Leser wissen: »na heute ist Sonntag! toll-sonnenschein wäre schön«. Sie ist zudem auf Schritt und Tritt verfolgbar: Ob Grüne Woche, Neujahrsempfang der Handwerkskammer Cottbus oder Fraktionssitzung – Hackenschmidt teilt allen mit, wo sie sich gerade aufhält.

Vom FDP-Abgeordneten Beyer erfährt die Welt, dass er Jagdterrier und die Muppets mag. Domres präsentiert sich mit einem dicken Fisch als Angler. Seinen muskulösen Körper zeigt Danny Eichelbaum (CDU) in Badehose nach einem Schwimmwettkampf. Auch über die Fraktionschefin der Linken, Kerstin Kaiser (LINKE), steht da etwas: Sie interessieren nicht nur Rosa Luxemburg und Bertolt Brecht, sondern auch die Trickfilmserie »Der kleine Maulwurf«.

Die Amtskollegen von FDP und Grünen sind zurückhaltender. Die SPD- und CDU-Fraktionschefs haben keine eigenen Facebook-Seiten. Auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) – er will nicht einmal eine E-Mail-Adresse haben – ist kein aktiver Nutzer. Aus der Regierung ist nur Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) vertreten. Er lässt nur wissen, dass er männlich ist und verweist auf seine Internetseite.

Offener ist dagegen der kürzlich in den Ruhestand versetzte Ex-Innenminister Rainer Speer (SPD). Der zeigt sich in Shorts und leichtem Shirt am Meer, kommuniziert mit seinen Freunden und unterschreibt schon mal Petitionen zur Thunfisch-Rettung und für faire Gebühren bei Western Union.

Mit ihrem Verhalten liegen die Brandenburger im bundesweiten Trend. Forscher der Technischen Universität Ilmenau stellten fest, dass Abgeordnete von Grünen und FDP die aktivsten Facebook-Nutzer sind. Die Studie zeigte aber auch, dass überwiegend auf einseitige Übermittlung von Informationen und weniger auf den Austausch mit Wählern gesetzt wird. Wer persönlichen Kontakt und Gespräche sucht, kann sich ja an Hans-Peter Goetz (FDP) wenden. Er schreibt: »Ladet mich ein, ich bring Kuchen mit.«

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