Macht Grundeinkommen faul?

Beim Weltsozialforum in Dakar wird über diverse Maßnahmen zur Armutsbekämpfung diskutiert

  • Odile Jolys, Dakar
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt es in reichen ebenso wie in armen Ländern. Auch beim Weltsozialforum in Dakar ist das ein Thema, unter anderem bei einem Seminar der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Versammlung zum Grundeinkommen in Otjivero in Namibia
Versammlung zum Grundeinkommen in Otjivero in Namibia

In den Entwicklungs- und Schwellenländern wird viel über die Möglichkeit einer Grundsicherung für die Bevölkerung debattiert. Die Ansätze der Projekte sind genauso vielfältig wie die Lage in den Ländern selbst. Ob für alle oder nur für Teile der Bevölkerung, mit Geld oder materiellen Hilfen – die Diskussion darüber, wie man das Recht auf ein würdiges Leben für alle Menschen verwirklichen kann, ist lebhaft.

Das Pilotprojekt Basic Income Grant in Namibia hat zum Beispiel ein Grundeinkommen für alle zum Ziel. Es geht darum, dass jeder Namibier, der keinen Anspruch auf eine Altersversorgung hat, 100 Namibia-Dollar pro Monat, also umgerechnet etwa zehn Euro, zur Befriedigung der Grundbedürfnisse erhält.

Das Projekt läuft seit 2008 in der Testgemeinde Otjivero. »Wir müssen gegen das Vorurteil kämpfen, dass Leute, denen man einfach Geld gibt, faul werden und es für unnötige Dinge ausgeben«, erklärt Uhuru Dempers. »Dieses Vorurteil trifft überhaupt nicht zu. Das hat unsere begleitende Studie über das Dorf gezeigt hat«, erläutert der Mitbegründer des Projekts.

Das Geld floss in die Schulbildung und in die Gesundheitsversorgung. Die Kinder werden besser ernährt. Einige Gemeindebewohner haben angefangen, kleine Geschäfte zu führen. Das Dorf hat eine Bäckerei. Auch das Argument, dass ein Grundeinkommen für alle die Inflation im Land fördert, was den Zugewinn an Einkommen entwerten würde, lässt Lucy Edwards nicht gelten. Sie ist Soziologin an der Universität Windhuk und verfolgt das Projekt wissenschaftlich: »Das Geld fließt in die lokale Wirtschaft. Es stimuliert dort die Produktion. Es gibt also keinen Grund, dass die Preise steigen.« Für sie ist die Diskussion darüber total überzogen.

Klar ist auch für die Initiatoren des Projekts, dass das Grundeinkommen allein nicht die Armut im Land beseitigen wird. Andere Maßnahmen bleiben notwendig.

In dem Pilotdorf, wie auch wo anders auf dem Land in Namibia, besteht das Problem darin, dass es kaum Arbeitsgelegenheiten gibt. Das Land ist hauptsächlich in der Hand großer Farmer. Wenn die Farmarbeiter ihren Job verlieren, verlieren sie auch ihre Bleibe. Deshalb ist für Lucy Edwards »eine Landreform in Namibia unentbehrlich«.

In Indien ist die Diskussion eine ganz andere, klärt Ashok Khandelwal auf. Hier greift man auf das Recht auf Ernährung und auf Arbeit für alle zurück. Deswegen gibt es Essensausgaben für Bedürftige; die Ärmsten können einen Job beim Arbeitsdienst übernehmen, wenn sie etwas Geld verdienen wollen. Das sei, so Khandelwal, seiner Meinung nach ein besserer Weg für Indien, wo im Vergleich zu Namibi viele Arme auf dem Dorf etwas Land besitzen. »Wir wollen keinen Bargeld-Transfer«, erklärt Ashok Khandelwal weiter. »Die Sozialstruktur in Indien ist so, dass nur die Männer das Geld verwalten würden.« Daher ist er skeptisch, ob Frauen und Kinder davon profitierten.

Auf einer Podiumsdiskussion am Montag pries der ehemalige Präsident Brasiliens, Lula, den Weg zur Armutsreduzierung, den Brasilien ab 2003 wählte. Statt Grundsicherung für alle gab es gezielte Geldtransfers und Maßnahmen, die die Armen unterstützen sollten. »Mit unserer Politik haben wir 28 Millionen Menschen aus der Armut geholfen«, sagte Lula.

In Europa sei man an einen Scheideweg angekommen, meint Lev, Student der Politikwissenschaft: »Die Sozialversicherungssysteme, wie wir sie kennen, sind bedroht. Die Lohnnebenkosten werden zurückgefahren und so können wir unsere Sozialversicherung nicht mehr finanzieren. Jeder soll mit privaten Versicherungen für sich selbst sorgen, weil jeder wisse, was gut für ihn selbst ist.« Mit solchen Argumenten rechtfertige man den Abbau der Solidargemeinschaft, meint Lev. Er steht mit dieser Meinung beim Weltsozialforum nicht alleine. Dort wird gemeinsam nach solidarischen Lösungen für eine andere Welt gesucht.

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