Körting will Muslime von Demokratie überzeugen

Verfassungsschutz präsentierte Studie zu Argumenten gegen extremistische Interpretationen des Islam

  • Sonja Vogel
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir müssen mit unserer Message von der freiheitlich demokratischen Grundordnung an die Leute rankommen.« So äußerte sich der Berliner Innensenator, Ehrhart Körting (SPD), über junge Muslime, die vor einer Radikalisierung durch Islamisten stünden. Mit Claudia Schmid, der Leiterin des Berliner Verfassungsschutzes, hatte er gestern die gemeinsam herausgegebene Broschüre »Zerrbilder von Islam und Demokratie – Argumente gegen extremistische Interpretationen von Islam und Demokratie« vorgestellt.

Nach Erkenntnissen des Berliner Verfassungsschutzes ist der Salafismus die am schnellsten wachsende Strömung im Islamismus. Kernstück dieser radikalen Auslegung des Islam sei die Ablehnung der Demokratie.

Oft werde »nicht hinreichend sachlich und differenziert über das Thema Islam und Islamismus diskutiert«, meint Claudia Schmid. Vorurteile beherrschten die öffentliche Debatte. Die Broschüre wendet sich aber nicht an die zunehmend antiislamisch eingestellte Öffentlichkeit. Angesprochen werden sollen junge Muslime, die auf der Kippe zur Radikalisierung stünden. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes verfügen Islamisten neben einer umfassenden Infrastruktur im Internet auch über lokale Netzwerke, über die für eine politische Auslegung des Islam geworben wird. Die Ideologisierung ginge dabei »turbomäßig schnell«, so Claudia Schmid.

Als »radikal« schätzt Körting indes nur einen Bruchteil der Muslime ein. Gleichwohl beherrschte dieser die Debatte. »Wir haben immer die großen Schreier im Fokus«, kritisierte Körting. In der Publikation lassen die Herausgeber darum liberale Muslime, hauptsächlich aus dem arabisch-sprachigen Raum, für sich sprechen.

Verschiedene Kapitel der Studie widmen sich Aussagen zur Demokratie, zum Rechtsstaat, zur Geschlechtergleichheit und zum Verhältnis zu Nicht-Muslimen. Das Konzept ist simpel: Auf der einen Seite kommen radikale Kreise zu Wort, auf der anderen liberale Muslime. Im Mittelpunkt steht dabei das »Zerrbild« der Salafisten, das Islam und Demokratie als Gegensatzpaar entwerfe. Die Kernaussage: Islam und Demokratie sind sehr wohl vereinbar. Etwas absurd ist es schon, dass der Verfassungsschutz die deutschen Muslime über die Vereinbarkeit belehren möchte – zumal diese nach eigenen Aussagen in der absoluten Mehrheit dem demokratischen System nie den Rücken gekehrt haben. Er zwinge »die Leute nicht«, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu unterschreiben, betonte Ehrhart Körting. Stattdessen erzähle er, »was das Tolle an unserer Demokratie ist«.

In dem Kapitel zur Geschlechtergleichheit wird die Behauptung, eine Muslima müsse den Ganzkörperschleier tragen, Zitaten gegenübergestellt, nach denen eine religiöse Pflicht zur Vollverschleierung nicht existiere. Claudia Schmid erhofft sich von diesem Kapitel, Hilfe für verunsicherte junge Frauen, »die in die Fänge von Salafisten geraten sind«. Die Beiträge sind kurz gehalten, überschreiten kaum eine Länge von fünf Sätzen. Um möglichst viele junge Muslime zu erreichen, ist die Broschüre dreisprachig – deutsch, türkisch und arabisch. Claudia Schmid erwartet, dass die Broschüre »eine große Wirkung erzielt«. Wie sie allerdings, ihre Zielgruppe erreichen soll, blieb unklar. Zwar plant man, sie gezielt an Moschee-Gemeinden abzugeben. Hauptsächlich aber soll die Verbreitung über die Website des Verfassungsschutzes laufen. Dass es aber zukünftige Salafisten beim Surfen ausgerechnet auf die Verfassungsschutz-Seite verschlagen wird, ist unwahrscheinlich.

In Berlin leben etwa 250 000 Muslime. In den letzten Monaten hatte sich das Klima ihnen gegenüber zunehmend verschärft. Trotz seines jetzigen Engagements ist Ehrhart Körting daran nicht unschuldig. Noch Ende letztes Jahr hatte er mit seinem heftig kritisierten Aufruf, »verdächtige Nachbarn« zu melden, die Berliner Muslime unter den Generalverdacht des Islamismus gestellt.

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