Werbung

Ringen um Weiterbildung

Bericht zur Lage der Berliner Musik- und Volkshochschulen wurde im Abgeordnetenhaus beraten

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

Von Bildung wird in Berlin viel geredet, für sie getan wird eher weniger. Dies wurde bei einer Anhörung zum Abschlussbericht der Kommission der Berliner Volkshochschulen und Musikschulen im Abgeordnetenhaus deutlich. Der allseits gelobte Bericht dieser vom Senat eingesetzten Kommission liegt seit mittlerweile eineinhalb Jahren vor. Doch geschehen ist bislang nichts. »Der Bericht ist ausgezeichnet. Das Projekt ist erfolgreich abgeschlossen. Die Ampel steht auf Grün«, sagte zwar Innenstaatssekretär Ulrich Freise. Er meinte damit aber nur, dass die Kommission schöne Vorschläge erarbeitet habe, die in einem nächsten Schritt von den Senatsverwaltungen erörtert werden müssten. Doch genau dies ist bislang nicht geschehen. »Wir haben vielleicht die erste Kreuzung bei Grün passiert, aber jetzt stecken wir im Stau«, bemerkte ein frustriertes Mitglied der Kommission.

Der Bericht und vor allem die in ihm enthaltenden Ideen verstauben in den Regalen. »Wenn dieses Beispiel Schule macht, wird sich in Berlin bald niemand mehr finden, der in einer Kommission mitarbeiten möchte«, bemerkte Thomas Birk, Sprecher der Grünen für die Verwaltungsreform, während der Anhörung. Um die Prozesse etwas zu beschleunigen, hatte Birk die Anhörung im Ausschuss für Verwaltungsreform, Kommunikations- und Innovationstechnik anberaumt.

Der Hauptausschuss, der über die Finanzen zu entscheiden hat, wäre vielleicht geeigneter gewesen. Aber auch dieser Zug war nicht schlecht, denn die Vertreter der Senatsverwaltungen für Finanzen, Inneres und Bildung kamen so wenigstens im Verlauf der Ausschusssitzung ins Gespräch. »Das ist doch schon etwas«, kommentierte sarkastisch ein weiteres Kommissionsmitglied.

Die Lage der Berliner Volkshochschulen und Musikschulen stellt sich als durchaus verbesserungsbedürftig dar. Im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten leistet sich die Hauptstadt nur 52 Prozent des Personalbestandes an den Volkshochschulen. Angesichts der bekannten Bildungsdefizite und der neuen Aufgaben im Integrationsbereich, die die Volkshochschulen seit einiger Zeit wahrnehmen, ist dies ausgesprochen wenig.

Die Kommission schlug in ihrem Bericht eine maßvolle Erhöhung des Personalbestands bis 2017 auf etwa 59 Prozent des Personalbestands anderer Großstädte vor. Kernstück des Berichts ist aber der Versuch, zu verbindlichen, abrechenbaren und vergleichbaren Profilen der einzelnen Volkshochschulen und Musikschulen zu gelangen. Gradmesser ist dabei die Versorgung der Bevölkerung. »Die Weiterbildungsdichte soll von derzeit durchschnittlich 176 Unterrichtseinheiten je Tausend Erwachsene auf 200 Unterrichtseinheiten anwachsen. Das wäre dann ein Kursplatz pro Erwachsener alle 14 Jahre«, erläuterte Marc Schulte, Stadtrat für Wirtschaft, Ordnungsangelegenheiten und Weiterbildung in Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitglied der Kommission. Die Musikschulen sollen statt 1,2 Prozent der Bevölkerung 2 Prozent erreichen, was angesichts langer Wartelisten an vielen Musikschulen nur eine Frage des Mitteleinsatzes ist. »90 bis 95 Prozent der Honorarmittel für zusätzliche Kurse nehmen wir durch die Teilnehmergebühren wieder ein«, bemerkte Schulte.

Ein zweites Problem betrifft das altersbedingte Ausscheiden von Fachkräften. Von 2007 bis 2013 scheiden fünf der zwölf Direktoren und 16 der insgesamt 70 hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter aus. Das ist ungefähr ein Viertel des Bestands. Um eine qualifizierte Arbeit zu garantieren, müssen frühzeitig neue Mitarbeiter eingearbeitet werden. Wenn über den zentralen Stellenpool keine geeigneten Bewerber zu finden sind, müsse man auch von außen einstellen dürfen, forderte Schulte. Die Kommission arbeitete für diesen Fall detaillierte Stellenbeschreibungen aus. Auch diese Vorschläge wurden bislang nicht angenommen. Einigen Volkshochschulen wurde kürzlich lediglich Personal aus dem Stellenpool angeboten, über deren Eignung sie binnen drei Tagen zu entscheiden hätten, wurde am Rande der Anhörung bekannt.

Als weiteres Element schlug die Kommission eine gesamtstädtische Steuerungsgruppe zur Klärung von Grundsatzfragen sowie zentrale Serviceeinrichtungen in den Bereichen Marketing, Kursleiterweiterbildung sowie Projektentwicklung und Mittelakquisition vor. Fachlich gab es keine Einwände dagegen. Innenstaatssekretär Freise gab sogar grünes Licht für den nächsten Streckenabschnitt, die Abstimmungsgespräche unter den Senatsverwaltungen. Wenn die Vorschläge noch vor den Wahlen im September über die Ziellinie gewunken werden sollen, müssen die zuständigen Mitarbeiter aber in Formel-1-Wagen umsteigen.

Leidtragende dieses eher zähen Prozederes sind Bürger, die sich in ihrer Freizeit weiterbilden wollen, dies aus Kapazitätsgründen aber nicht können.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -