Wieder Proteste an Universitäten
An der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes entzündet sich neuerlicher Streit
Die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes steht kurz bevor. Im Sommer 2010 legte der Wissenschaftssenat den Entwurf »zur Modernisierung des Hochschulzugangs und zur Qualitätssicherung von Studium und Prüfung« vor. Doch das Vorhaben wird nun von Studierenden und Hochschulen heftig kritisiert. Eine Reform des bestehenden Gesetzes wird zwar auch von ihnen befürwortet, genauso wie einige der geplanten Neuregelungen – etwa die Einrichtung des Teilzeitstudium, das neben dem Broterwerb betrieben werden kann. Auch der Hochschulzugang ohne Abitur soll erleichtert werden. Die Studierenden-Proteste der letzten Jahre haben hier Spuren hinterlassen.
Laut Hannah Eberle vom AStA der Technischen Universität (TU) überschatteten aber vielfältige Verschlechterungen die wenigen Verbesserungen. »Der Entwurf spiegelt vor allem die Probleme des Bologna-Prozesses wider«, sagt Eberle. Problematisch seien nach wie vor die forcierte Trennung von Forschung und Lehre, die Verschärfungen von gängelnden Maßnahmen in Bezug auf die Regelstudienzeit, Zwangsberatungen oder Exmatrikulation. Auch die Gestaltungsfreiheit in den verschulten Bachelor- und Masterstudiengängen wird weiter beschnitten: Die gültige Regelung, nach der Pflichtkurse maximal zwei Drittel der Veranstaltungen ausmachen dürfen, soll gestrichen werden.
Mit seiner Kritik steht der TU-AStA nicht allein. »Sowohl Professoren als auch Studierende haben Probleme mit dem Gesetzesentwurf«, sagt Eberle. Die drei größten Universitäten – TU, Freie Universität (FU) und Humboldt-Universität (HU) – haben darum am 15. Februar zur Vollversammlung gerufen. Eingeladen sind auch Lehrende und der TU-Präsident Peter-André Alt, ein scharfer Kritiker der Novellierung.
Durch die Öffentlichkeit hofft Eberle, noch auf das Gesetz einwirken zu können. Noch sei »allerlei möglich«, bestätigt Christian Walther, Sprecher von Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD). »Kein Gesetz geht in den Senat, wie es entworfen wurde.« Gestern forderte auch Rita Süssmuth, Vorsitzende des Kuratoriums der TU: »Herr Zöllner, eröffnen Sie wieder den Dialog!«
Zuvor hatten bereits 27 Organisationen von Studierenden, Lehrenden und Beschäftigten Stellungnahmen zur Reform vorlegen können. Dennoch sei der Senat zu dem Schluss gekommen, den »gol- denen Mittelweg« bereits im vorliegenden Entwurf verwirklicht zu haben, kritisiert Erik Marquardt vom AStA der TU. So hätten etwa alle Betroffenen die Einführung der Lehrprofessur – einem von der Forschung abgekoppeltem Lehrkörper – abgelehnt. Die Regelung verblieb trotzdem in der Vorlage.
»Ich kann die Aufregung schwer nachvollziehen«, sagt Zöllners Sprecher Walther. Die Lehrprofessur sei lediglich ein Angebot. Die Entscheidung über die Einführung einer neuen Personalkategorie obliege der Hochschule.
Marquardt aber befürchtet, dass den unter chronischem Geldmangel leidenden Hochschulen eben diese Alternative nicht bleibt. Lehrende ohne Praxisbezug seien ein Instrument, »möglichst billig viele Studierende durch das Studium zu schleusen.« Das ist auch nötig. In diesem Jahr steht den Unis durch doppelte Abiturjahrgänge und Wegfall der Wehrpflicht ein Ansturm bevor. Mindestens 33 000 Studienanfänger werden erwartet – 2000 mehr als im letzten Jahr.
Berliner Hochschulgesetz (BerlHG)
Im Gesetz über die Hochschulen im Land Berlin (Berliner Hochschulgesetz – BerlHG) sind die allgemeinen Vorschriften, die Pflichten und Rechte der Studierenden, Grundlagen zu den Studiengängen, Lehre und Prüfungen sowie Personal und Strukturen der Hochschulen festgelegt.
Staatliche Hochschulen sind demnach die Freie Universität, die Humboldt-Universität, die Technische Universität, die Universität der Künste, die Hochschule für Musik »Hanns Eisler«, die Kunsthochschule Weißensee, die Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«, die Technische Fachhochschule, die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, die Fachhochschule für Wirtschaft, die Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik »Alice Salomon« sowie die Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege.
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