Obsessionen
Compagnie Enkidu zeigt Stück von Pablo Picasso
Es macht einfach nur Spaß zuzusehen. Temperamentvoll gespielte Szenen, die ins Surreale gleiten, manchmal fast erschreckend emotional sind, in denen plötzlich der Vernunft das Wort geredet wird, die aber gleich danach wieder im Chaotischen zerfließen. Auch die Figuren in dem von Beatrice Murmann in den Galerieetagen in Mitte inszenierten Stück »Wie man Wünsche am Schwanz packt«, das Pablo Picasso 1941 in Paris schrieb, schwanken zwischen ganz typisch wirkenden Menschen, völlig triebhaft gesteuerten Wesen und liebenswerten verträumt-verspielten Gestalten. Sie torkeln durch die Zeit und sind sich ihrer selbst nicht gewiss.
Wir tendieren dazu, unser Wohlbefinden an Dingen festzumachen, zuweilen aber »schießt« das Unbewusste hier quer, weil die Gefühle etwas anderes wollen als die Ratio es gerade für richtig hält, und schon stehen wir mit uns selbst oder der Umgebung in Konflikt. Genau dies ist Thema des Stückes, das auch – ohne das dies gesagt wird – für etwas weniger Ego und etwas mehr Solidarität plädiert und so durchaus auch einen politischen Aspekt birgt.
Gespielt wird in zwei Etagen, die Zuschauer begleiten die Schauspieler durch diverse Räume, was das Spiel noch aktiver erscheinen lässt. »Wie man Wünsche am Schwanz packt« hat keine geradlinige Handlung, besteht aus Szenen, die zusammenhängen, aber keine zwingende innere Ablauflogik haben.
Die Begriffe Erotik, Obsessionen, Identität, Gefühl und Sprache werden von Murmann und der 20-köpfigen Compagnie Enkidu-Event kontextuell gepackt und vermitteln so ein Bild des Daseins als Odyssee.
Unter den vielen schönen Szenen beeindruckt besonders diese: Ein Mann liegt mit dem Oberkörper nach oben auf einer Treppenstufe und wird von den Frauen bewundert. Ihre Verehrung drücken sie in einer Metaphern-Sprache aus, die an das Hohelied Salomons erinnert. Was anfänglich noch schön, hehr und dadurch ein klein wenig einschüchternd klingt, wirkt plötzlich wegen des zunehmend gesteigerten Pathos' nur noch lustig und wirft so Blicke auf den Zusammenhang zwischen Sprache und Fühlen.
»Wie man Wünsche am Schwanz packt« ist ein lebendig gespieltes Stück, das viel über das Unbewusste erzählen kann.
17.-20. und 14.-27. Februar, 20 Uhr, Galerieetagen, Spandauer Str. 20, Mitte
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.