Luft und Erde

Philharmoniker mit Strawinsky und Mahler

  • Liesel Markowski
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einem Programm der Schönheit und Poesie, auch des Humors erfreuten die Berliner Philharmoniker ihr Publikum. Die Musiker bewiesen unter Leitung ihres Chefs Simon Rattle perfektes Können und fesselnde Musikalität. Kompositionen von Igor Strawinsky und Gustav Mahler forderten sie dazu heraus: Musiken, die sich bei aller Verschiedenheit im Duktus des Beschwingten begegnen.

Strawinskys Ballett »Apollon musagète«, 1928 in der Choreografie von George Balanchine uraufgeführt, erzählt vom antiken Gott Apollon als Führer der Musen. Die zu hörende Fassung von 1947 für den Konzertsaal entspricht dem Neoklassizismus des Komponisten in gleichsam entrückter Reinheit diatonischen Streicherspiels. Dazu Mahlers 4. Sinfonie, gespeist aus den Wunderhorn-Liedern, denen sich der Komponist innig verbunden fühlte. Hier haben sie ihn zu schwebenden, heiteren Klängen inspiriert, die sich vom konfliktgeladenen Habitus der vorangegangenen Sinfonien unterscheiden. Zwei Musiken, einander – entfernt – ähnlich in ihrer Sehnsucht nach Harmonie. Mit Blick auf die Antike die eine, mit Akzeptanz des rustikal Urwüchsigen die andere. Für die Interpreten nicht leicht, derlei verschiedene Welten einander in Beziehung zu setzen.

Ein ausschließlich mit Streichern besetztes Ensemble »verkörpert« den antiken Musengott und seine Gefährtinnen in klarem, auf direkte Gestik orientiertem Stil: Man spürt die unsichtbaren Schritte und Bewegungen der Tänzer. Die Philharmoniker haben das bestechend rein und wohllautend realisiert. So werden die Geburt Apollons und seine Aktionen mit den Musen wie deren charakteristische Variationen in ansprechender Feinheit zum Klang: Charmante Violinsoli und -duos, ein duftiges Pas de deux Apollons mit Terpsichore (der gekrönten Tanzmuse), die kraftvoll rhythmische Coda. Insgesamt ein ästhetisch makellos erträumtes Ideal der Antike.

Anders Mahlers »Vierte« von 1910: Erdgebundene Lebenslust verströmen die vier Sätze dieses vergleichsweise kurzen G-Dur-Werkes. Die Liederwelt aus »Des Knaben Wunderhorn« (Sammlung: Clemens Bretano, Achim von Arnim) spendet ein Klima des Heiteren und Freundlichen, das von vornherein gefangennimmt. Unter Simon Rattles souveränem (auswendigem) Dirigat waren Raffinesse und Schwung, Sanftes und Auftrumpfendes intensiv zu erleben. Vom Komponisten geforderte Bedachtsamkeit und Ruhe verstanden Rattle und seine Musiker mit instrumentaler Lust zu erfüllen.

Lust am Leben, auch hier, wie bei Mahler üblich, nicht ohne Hintersinn. Vom tänzerisch lockeren Anfang mit grellem Schellen-Motiv zum Scherzo mit skurrilem totentanzartigem Solospiel auf höher gestimmter schriller Violine und kontrastierender Ländlerseligkeit, das Adagio aus kunstvollen Variationen führt danach zum glanzvollen Höhepunkt, dem Finale mit Sopransolo »Vom himmlischen Leben«, das »himmlische Freuden« deftig-irdisch schildert. Christine Schäfer hat es plastisch mit ihrem strahlenden Sopran gestaltet. In behaglicher Ruhe war vom Tanzen und Springen, von Wohlschmeckendem, dem Lämmlein, vom kostenlosen Wein »aus himmlischem Keller« und sonstigen Genüssen, selbst Fischen zum Fasttag und Musik, die es auf Erden nicht gibt, die »Rede«. In vier Strophen werden solche Köstlichkeiten liebevoll benannt und in orchestralen Zwischenspielen kommentiert. Ein gelungener Beitrag zum zweiten Mahler-Gedenkjahr, 100. Todestag 2011 nach dem 150. Geburtstag 2010. ND-Fotos: W. Frotscher

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