Scharnweberstraße 29 vor Räumung
Bewohner des alternativen Hausprojektes sehen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in der Pflicht
Auf den Tag einen Monat nach der Räumung der Liebig 14 steht für den 3. März die Teilräumung eines weiteren Hausprojektes in Friedrichshain-Kreuzberg an. Betroffen ist das Erdgeschoss des ehemals besetzten Hauses Scharnweber-straße 29. Dort befinden sich der Veranstaltungsraum »Checkpoint Scharni« und der Schenkladen »Systemfehler« – ein ehrenamtlich organisierter Laden, in dem gebrauchte Gegenstände gesammelt und kostenlos abgegeben werden. Kündigungsgrund ist die gewerbliche Nutzung der Räume durch den Hausverein »Scharnwebers e.V«.
Der Mietvertrag sei allerdings 2007 im Wissen um die »vom Verein geplante Nutzung über eine klassische Nutzung von Wohnraum hinaus« mit dem Eigentümer geschlossen worden, betont der Verein. Auch aus der Satzung von Scharnwebers e.V. sei die gewerbliche Nutzung ersichtlich. Dass das Erdgeschoss trotzdem als Wohnraum registriert blieb, wird den Mietern nun zum Verhängnis.
Das Hausprojekt verlangt nun vom Eigentümer Gijora Padovicz, den Räumungsbescheid rückgängig zu machen. »Ein Zusatzartikel mit Gewerbeoption würde das Problem lösen«, sagt Hausbewohner Tim Zülch. An ein Entgegenkommen des Eigentümers glaubt er indes nicht. Seit Jahren schon versuche Padovicz, dem Hausprojekt das Leben schwer zu machen – durch Abmahnungen, Kündigungen oder den versperrten Zugang zum Stromzähler. »Er sucht Vorwände, um uns los zu werden«, vermutet Zülch.
Warum, darüber wird spekuliert. Da der Eigentümer öffentliche Gelder einstrich, unterliegt das Haus der Mietpreisbindung. Aus einer Neuvermietung könnte darum kein Profit geschlagen werden. Genau diese Fördergelder zur Wohnraumsanierung würden allerdings mit einem Gewerbe im Haus auch rückwirkend obsolet.
In der Scharnweberstraße 29 sieht man darum vor allem den Bezirk, dessen Vertragspartner Padovicz ist, in der Pflicht. 2006 war das Haus auf Betreiben des Eigentümern über die »Soziale Stadterneuerung« saniert worden – ein Programm, dass die Instandsetzung von Altbauten aus Landesmitteln finanziert. Die Bewohner stimmten der Sanierung zu. Öffentlich geförderter Wohnraum ist an Auflagen geknüpft, darum war die Zustimmung der Mieter erforderlich. Neben der Mietpreisbindung besteht auch ein Belegungsrecht, das sicherstellen soll, dass die Mieterstruktur nach der Sanierung unverändert bleibt. »Den Mietern wurde eine Belegungsbindung von 21 Jahren zugesichert«, erinnert sich Wibke Ploeger von Scharnwebers e.V. an die Verhandlungen zwischen Eigentümer, Mietern und Bezirk. Den ausgehandelten Ordnungsmaßnahmenkatalog habe Padovicz allerdings nie unterschrieben. Bereits zwei Monate nach Abschluss der Sanierungsarbeiten erhielten die Bewohner fristlose Kündigungen. Im Oktober 2010 wurde der erste Stock geräumt. Er steht seither leer – und das obwohl der Bezirk dem Eigentümer auf der Grundlage des Belegungsrechts neue Mieter vorgeschlagen hatte.
Vom Hauseigentümer erwarte man nichts mehr, sagt Zülch: »Aber vom Bezirk fordern wir, dass er seine Rechte durchsetzt – gerade das Belegungsrecht.« Geschehe dies nicht, erwarte man ein Ersatzobjekt. Im Gespräch mit den Bewohnern habe Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) in der vergangenen Woche versprochen, mit Padovicz zu verhandeln.
Die Teilräumung wird im März zwar vollstreckt. Ein rechtskräftiges Urteil wird aber erst nach der von den Mietern erwirkten Berufungsverhandlung im Juni vorliegen. Bis dahin hat der Schenkladen in den Räumen des Supamolly Asyl gefunden. Für den kommenden Samstag ist eine Umzugsdemo dorthin geplant.
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