Liberale ein »Fall für den Verfassungsschutz«?

Linkspartei fordert Aufklärung über »braunes Erbe« der FDP in Nordrhein-Westfalen

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele führende Kader in den Frühjahren der NRW-FDP waren alte Nazis – oder versuchten, führende Nazis zurück in die Politik zu holen. Ihre heutigen Nachfolger streiten die Vorwürfe ab oder beschweigen sie.

»Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob die NRW-FDP ihre NS-Vergangenheit aufgearbeitet hat?« – diese Anfrage stellen Rüdiger Sagel und Ralf Michalowsky, zwei Parlamentarier der Linksfraktion im NRW-Landtag. Denn »trotz aller erdrückenden Beweise und Forschungsergebnisse« leugne die FDP in NRW »weiterhin die NS-Vergangenheit zahlreicher ehemaliger Funktionäre«. Nach ihrer Gründung 1947 sei die NRW-FDP »gezielt von ehemaligen Gauleitern, SS-Mitgliedern und Naziministern unterwandert und übernommen« worden, sagen die beiden LINKE-Parlamentarier. Doch führende Liberale stritten dies schlicht ab.

Sagel und Michalowsky legen den Finger in die Wunde: »Kann die Landesregierung ausschließen, dass noch heute alte politische NS-Seilschaften innerhalb der FDP gesinnungsprägend sind?« Obdessen fragen die beiden, ob die FDP »ein Fall für den Verfassungsschutz« sei – und der Verfassungsschutz »auf dem liberalen Auge blind«.

Im November 2009 hatte Sagel bereits eine Studie zum »braunen Erbe« des NRW-Landtages vorgelegt. »Nahtloser Übergang in neue Führungspositionen – Alte Nazis in den nordrhein-westfälischen Landtagsfraktionen von CDU und FDP« untersuchte das Sujet erstmals systematisch. 41 NRW-Parlamentarier seien nachweislich Mitglied der NSDAP, der SA oder der SS gewesen. Der promovierte Historiker Michael Carlo Klepsch, Autor der Studie, stützte sich vor allem auf die NSDAP-Mitgliedskartei und Akten des Bundesarchivs Berlin-Lichterfelde.

Die NRW-FDP bezeichnet Klepsch schlicht als »Sammelbecken von Altnazis« – das gilt auch für ihre Fraktionsspitzen, insbesondere den Fraktionsvorsitzenden der Jahre 1947 bis 1956. Friedrich Middelhauve hatte »eine Reihe ehemals prominenter Nationalsozialisten um sich versammelt«, zitiert Klepsch aus einem 1952 erschienen Artikel aus Springers »Die Welt«. Unter den von Middelhauve Protegierten befand sich auch Werner Naumann, der von Hitler zum Reichspropaganda-Minister berufen worden war – als Josef Goebbels' Nachfolger. Erst die britische Besatzungsmacht setzte dem gelb-braunen Treiben ein Ende.

In den Nachkriegsjahren stellte die FDP – insbesondere in NRW – sich als »nationale Rechtspartei« auf, analysiert auch der Politologe Franz Walter in seiner kleinen Parteiengeschichte »Gelb oder Grün«. Walter: »Sie umwarb die Frustrierten, verbitterten Anhänger der vergangenen Diktatur, die ehemaligen Träger von Regime, Partei und Streitkräften«. Was die politischen Inhalte der Nominal-Liberalen betrifft, so seien die Übergänge zum »Radikalnationalismus« fließend gewesen.

Eine der Hauptquellen, auf die Walter sich beruft, ist eine Studie über »Die FDP-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen 1946-1966«. Ihr Autor ist Dr. Gerhard Papke –, der sich auch in anderen Veröffentlichungen mit der Geschichte der NRW-Liberalen beschäftigte. Heute fungiert Papke als Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag NRW. Bei aller (scheinbaren) Sachkompetenz: Zu den Vorwürfen der LINKEN schweigt der ansonsten nicht um scharfe Worte Verlegene.

Über seinen Amtsvorgänger Middelhauve schrieb Papke einst, man werde »ihm persönlich keine nazistischen Tendenzen irgendwelcher Art unterstellen können«. Die frühe NRW-FDP kritisierte er ausgesprochen milde: Sie habe sich, wie auch andere Landesverbände, »der Öffnung nach rechts zugewandt«. Es ist nur eine Randbemerkung, versteckt in einem Schachtelsatz. Papke erwähnte außerdem das »diffuse deutsch-nationale Image« der NRW-FDP.

Derweil fordert der Alt-Liberale und Ex-Bundesinnenminister Ger-hart Baum eine Aufarbeitung der Geschichte seiner Partei. NRW-FDPler mit Nazi-Vergangenheit? »Diese Leute«, so Baum, der es wissen muss, »hatten die Macht.«

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