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Begräbt Basel II den Mittelstand?
Eine Schreckensmeldung verbreitete kürzlich die Landesbank Sachsen Girozentrale (Sachen LB): Wenn es zu der geplanten Verschärfung durch BaselII komme, hätte dies dramatische Folgen für den ostdeutschen Mittelstand. Nicht nur, dass Kredite extrem verteuert würden, den Unternehmen würde diese bisher übliche Fremdfinanzierung verweigert. Dies brächte - übrigens auch in Westdeutschland - das Aus für viele kreditabhängige »Kleinen und Mittleren Unternehmen« (KMU). Die Existenzgründer, die in der Startphase auf Fremdfinanzierung angewiesen sind, bräuchten erst gar nicht den Gang zur Bank wagen.
Ein neues Gespenst verbreitet Schrecken. Es heißt Basel II. Obwohl der neue Akkord erst ab 2006 verbindlich werden soll - vorauseilend berücksichtigen die Banken das reformierte Regelwerk heute schon. Im Zentrum steht die grundlegende Reform des ersten Akkords von 1988, nämlich Basel I. Damals wie heute geht es um eine durch die staatliche Aufsicht kontrollierte Mindestabsicherung der Banken gegen Risiken im Zuge ihrer Kreditvergabe. Vergibt eine Bank einen Kredit an ein Unternehmen, muss sie das Risiko abschätzen, inwieweit der Kunde in der Lage ist, über viele Jahre aus den Erlösen die Zinsen und die Rückzahlung zu bedienen. Geplatzte Kredit lassen sich nur bei ausreichender Kapitaldecke der Banken verkraften. Deshalb bleibt die Entscheidung über die Mindestvorsorge mit Eigenkapital den Banken nicht selbst überlassen. Dazu gibt es seit 1988 durch die Bankenaufsicht kontrollierte Regelungen mit weltweiter Reichweite. So mussten bisher die Banken nach BaselI ihre Kredite mindestens mit 8 Prozent Eigenkapital unterlegen.
Diese pauschale Mindestregulierung reicht heute nicht mehr aus, weil die Kreditrisiken unterschiedlich ausfallen. Genau hier setzt die Reform durch den Basel II-Akkord an. Nach bisherigem Stand soll ab 2006 den unterschiedlichen hohen Risiken bei der Kreditvergabe durch entsprechend differenzierte Regeln, wie mit Eigenkapital zu unterlegen ist, stärker Rechnung getragen werden. Es gilt der Grundsatz: Je höher das Risiko eines Kredits, um so mehr an Eigenkapital muss die Bank vorhalten. Die Kredite, die eine Bank ausleiht, werden unter anderem je nach Art und ökonomische Rangfolge der Unternehmen - also nach der Bonität - gewichtet. Dieses Rating nehmen externe Sachverständige vor.
Zweifellos belastet diese Reform künftige Existenzgründer sowie die KMU. Warum wird dann überhaupt diese Regulierung vorangetrieben? Die Antwort: Aus internationaler Sicht ist dringend eine Vorsorge für Risiken aus dem Kreditgeschäft erforderlich. Brechen Banken wegen hoch riskanter Kredite zusammen, kann die gesamte Wirtschaft in einen Krisenstrudel geraten. Klassisches Beispiel ist Japan.
Auch die Globalisierung der Finanzmärkte verlangt global geltende Mindestregeln zur Minimierung eines Zusammenbruchrisikos. Schließlich lehrt die Große Weltwirtschaftskrise, wie durch eine Krise des Finanzsystems zum Schluss die Weltwirtschaft in den Krisenstrudel gerät. Deshalb haben die großen Industriestaaten - vergleichbar der G7-Gruppe - den »Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht« gegründet. Hochrangige Experten der Bankenaufsicht aus diesen Ländern treffen sich alle drei Monate bei der schon 1930 durch die Notenbanken gegründeten »Bank für Internationale Zusammenarbeit (BIZ)«. Beheimatet ist sie in der schweizerischen Stadt Basel - deshalb auch Baseler Akkord.
Allerdings verfügt der Ausschuss über keine supranationale Souveränität. Seine Empfehlungen werden jedoch so erarbeitet, dass sie am Ende weltweit von allen staatlichen Instanzen der Bankenaufsicht übernommen werden. Die EU ist bereits dabei, Basel II in verbindliches Recht umzusetzen. In der deutschen Diskussion wird unter dem Eindruck der absehbaren Belastungen des Mittelstands der grundsätzliche Bedarf an weltweiter Regulierung der Kreditwirtschaft oftmals übersehen. Jedoch sind weltweit geltende Regeln einer risikodifferenzierten Absicherung der Kredite durch Eigenkapital der Banken dringend erforderlich. Allerdings müssen die Auswirkungen auf die Unternehmenswirtschaft in den einzelnen Ländern berücksichtigt werden. In Deutschland sind nun mal Existenzgründer und KMU auf Kredite angewiesen. Große Kapitalgesellschaften hingegen finanzieren sich aus Gewinnen und anderen Eigenmitteln sowie über die Kapitalmärkte.
Unabhängig von Basel II wird diese ökonomische Spaltung noch durch einen fatalen Wechsel der Strategie der Großbanken forciert. Diese ziehen sich aus der Kreditfinanzierung des Mittelstands massiv zurück, jagen nach Gewinnspannen bei den lukrativen Privatkunden und Unternehmen und konzentrieren sich auf das Vermögensmanagement sowie das Investment-Banking. Da gerät schon mal Basel II zum Vorwand für eine extrem restriktive Kreditpolitik. Die Kreditgeschäfte mit den KMU sollen dann die Sparkassen und Genossenschaftsbanken übernehmen. Die weigern sich jedoch auch mangels ökonomischer Kraft, die Rolle des Lückenbüßers zu übernehmen.
Politik ist zur Auflösung des Dilemmas gefordert: Grundsätzlich muss die Regulierung der Finanzmärkte durch Aufsicht und Kontrolle verstärkt werden. Dabei sollten jedoch gleichzeitig die Belastungen des nun mal stark kreditabhängigen Mittelstands reduziert werden. BaselII darf nicht zum Grab für die KMU werden. So sollten die Massenkredite einer Bank nicht einzeln bewertet, sondern zu einer Risikogruppe zusammengefasst werden.
Jedoch - ohne einen staatlichen finanziellen Ausgleich für besondere Belastungen des Mittelstands ist Basel II nicht durchsetzbar. Dazu gehören Förderprogramme für Kredite, aber auch zur Stärkung des Eigenkapitals. Öffentliche Hilfen sind zur Finanzierung der teuren Agenturen, die für die Banken das ökonomische Rating der Unternehmen feststellen, erforderlich. Beihilfen dafür könnten verhindern, dass die betroffenen Unternehmen auch nicht noch durch die kreditgebende Bank begutachtet werden. Schließlich kommt es darauf an, nicht auf ein statisches, sondern ein dynamisches Ranking zu setzen. Die heute noch nicht realisierten, jedoch künftig abzusehenden ökonomischen Erfolgschancen sollten stärker gewichtet werden. Basel II ist machbar, allerdings nur, w...
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