Von einer verpatzten Reform in die nächste Pleite?
Thomas de Maizière übernimmt das Verteidigungsministerium und damit jede Menge neuer Reformprobleme
Es gehöre sich, »ein weitgehend bestelltes Haus zu hinterlassen«. Deshalb sei in der letzten Woche noch einmal viel Kraft auf den nächsten entscheidenden Reformschritt verwandt worden, »der nun von meinem Nachfolger bestens vorbereitet verabschiedet werden kann. Das Konzept der Reform steht.« Mit dieser inszenierten Versicherung verabschiedete sich Minister Karl-Theodor zu Guttenberg am Dienstag aus dem Amt.
Statt medialer Effekthascherei wird nun mehr Sachlichkeit in den Bendler-Block einziehen. Thomas de Maizière ist ein besonnener Mann, der sich selbst ein Urteil darüber machen wird, ob und wie die Bundeswehrreform bislang vorangekommen ist. Dabei wird er bereits in seinem nun eigenen Haus auf viele Ungereimtheiten stoßen. Zu Guttenberg hatte angekündigt, dass nicht nur die Bundeswehr von von 235 000 auf 185 000 Mann schrumpfen wird, sondern dass auch das Verteidigungsministerium von Personal und alten Zöpfen befreit werde. Er beauftrage seinen Staatssekretär Walther Otremba, einen entsprechenden Plan vorzulegen.
Statt 3200 Mitarbeiter soll es demnächst nur noch 1800 geben. Einige Kürzungen lassen sich durch Ausgliederungen bewerkstelligen. Beispielsweise werden die Chefs und die Stäbe der Teilstreitkräfte zurück in die Truppe geschickt. Das traditionelle Gerangel zwischen den Inspekteuren wird bald nicht mehr auf engstem Raum spürbar sein. Einziger militärischer Führer im Bendler-Block bleibt der Generalinspekteur. Er hat lediglich noch als Chef der Streitkräfte zu funktionieren.
Derzeit heißt der Generalinspekteur Volker Wieker. Der Vier-Sterne-General hat – und das passt in Otrembas Konzept – relativ wenig politische Ambitionen. So ließ er bislang auch keinen Widerstand gegen seine faktische Entmachtung erkennen. Genommen wird ihm die Mitsprache bei der Ausrichtung der deutschen Militärpolitik ebenso wie die Planungshoheit für die Bundeswehr. Diese Aufgaben müssen die beiden beamteten Staatssekretäre erfüllen. Einer kümmert sich um Haushalt und Planung sowie Politik und Recht, der zweite um Ausrüstung und Infrastruktur.
Noch völlig unklar scheinen die Befehls- und Weisungswege innerhalb des Verteidigungsministeriums. Klar ist nur: Der Minister hat das letzte Wort. Ihm unterstellt sind demnächst acht statt bislang 17 Abteilungen. Ob und wie die mit dem militärischen Bereich und den nachgeordneten Stäben und Truppenteilen vernetzt sind, hat de Maizière zu klären.
Das jedoch wird ein Kinderspiel gegenüber der Beantwortung all jener offenen Fragen, die die von Guttenberg angestoßene Bundeswehrreform bietet. Ganz oben steht dabei die Frage der Finanzierung. 8,3 Milliarden Euro soll das Militär bis 2015 einsparen. Das klappt, hatte zu Guttenberg in seiner voreiligen Art versprochen. Um dann von seinen Experten zu erfahren, dass es nicht klappen kann. Nicht einmal die vom Generalinspekteur für möglich gehaltene Reduzierung der Bundeswehr auf 165 000 Frauen und Männer ließe sich so bezahlen. Ganz zu schweigen von Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung. Ohne die läuft nichts bei der einsatzorientierten Berufsarmeereform. Schon jetzt ist nämlich klar, dass es nicht genügend Freiwillige geben wird.
Zu Guttenberg hatte dem Finanzminister bereits signalisiert, dass es ohne üppige Anschubfinanzierung nicht abgehen wird. Die wird Wolfgang Schäuble seinem alten Kabinettskollegen de Maizière wohl nicht abschlagen können. Die Auswirkungen dieser Budgetkorrektur wird Schwarz-Gelb nur schwer verkraften.
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