Der Ruhmesrausch
Markige Sprüche, schneidiges Auftreten, ein wenig Boulevard und ganz viel Pathos
Es fällt einem leichter, sich wie ein Ferkel zu verhalten, wenn man die Welt von vornherein zu einem Schweinestall erklärt. Dies ist eine etwas robustere Formulierung des neokonservativen Credos, dass die Doppelmoral machtpolitisch durchaus angemessen sei: untereinander verhalten wir uns korrekt, doch gegenüber dem Gegner müssen wir nicht so sehr auf unsere Prinzipien achten. Nachzulesen u.a. bei Robert Kagan und Samuel P. Huntington.
Dann gibt es da noch das Phänomen Berlusconi, das definitiv zu dem Beschämendsten gehört, was Europa in den letzten Jahrzehnten zu bieten hatte, das »Das-ist-doch-einer-von-uns-Phänomen«. Bei Guttenberg liegt die Sache noch einmal anders. Da ist zum einen, frei nach Tissy Bruns, der Effekt, dass dessen »Blendwerk« bei der allgemeinen Düsternis innerhalb der Politik natürlich besonders leuchten konnte. Zum anderen ist da aber auch eine schier unglaubliche Veroberflächlichung der Politik am Wirken gewesen. In der Regel lief das unter »nicht um den heißen Brei herum« bzw.. »Klartext« reden.
»Das größte Talent in der deutschen Politik seit langem«, so ein Großteil der Medien unisono, hat da ziemlich ernste Fragen konsequent auf Stammtischniveau zurechtgestutzt, garniert mit einer gestelzten Sprache, die sich dann wie ein Schicht Blattgold um die hohlen Begriffe schmiegte und ihnen den Glanz des Einmaligen verlieh.
Wir sind also nach Guttenberg im »Krieg«. Ja und, was folgte nun daraus? Wenn es so wäre, gäbe es massive verfassungsrechtliche Konsequenzen. Die Befehls- und Kommandogewalt ginge auf die Bundeskanzlerin über, Wahlen dürften nicht stattfinden, die Bundeswehr müsste sich im NATO-Verbund an das humanitäre Kriegsrecht halten. Und da nichts von dem gewollt ist und geschehen wird, war und ist das nichts weiter als pathetisches Geschwätz und – eben – Blenderei.
Und eine eingeleitete Bundeswehrreform ohne Herleitung und Zielvorstellung, ohne eine gerade hierzulande dringend notwendige ausführliche Debatte über die zukünftige Rolle des Militärs in Deutschland ist einfach nur ein Hasadeur-Spiel. Vom Adel übrigens nicht ganz unbekannt und seit Kleists »Prinz von Homburg« auch zum kulturellen Gedächtnis zählend – eigentlich.
Eine Hoffnung für die Demokratie soll er gewesen sein? Endlich mal einer richtig beliebt! Jetzt wissen wir wenigstens, wie es sich anfühlt, wenn ein Konservativer so richtig beliebt beim Volk ist. Und jeden morgen im Zug zur Arbeit ein wenig noch schläfrige Teilhabe am Glanz des Bewunderten im günstigen Propagandablatt: Markige Sprüche, schneidiges Auftreten, ein wenig Boulevard und ganz viel Pathos. Demokratiesimulation.
Nein, so einfach ist das mit der Demokratie nicht, so einfach darf es nie wieder werden! Schon Machiavelli wusste, dass menschliche Affekte der entscheidende Moment in modernen Republiken sein können. Und entgegen einer verleumdenden Lesart über Jahrhunderte hat er dafür geworben, dass die Politik in sich selbst organisierenden und folglich vollständig eigenverantwortlichen modernen Gesellschaften auch aus einer bewussten Kenntnis eben dieser Affekte erfolgen sollte.
Einer dieser Affekte ist die Ruhmessucht. Nach den Enthüllungen um Guttenbergs Doktorarbeit wissen wir es. Aber man hätte es vorher sehen und wissen müssen. Und wenn der Kater nach dem allgemeinen Ruhmesrausch abgeklungen sein wird, hat diese Demokratie zumindest die Chance, sich wieder ein wenig ernster zu nehmen. Bei allen nicht zu leugnenden Problemen, die sie hat.
Robert Zion ist Grünen-Politiker aus Nordrhein-Westfalen und Vertreter des linken Flügels seiner Partei
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.