LINKE warnt SPD vor Zockerei

Bei einer Klausur im Harz stimmt sich die Fraktion auf Wahlkampf ein / Streit um ÖBS

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Den ersten Gipfelsturm hat die LINKE geschafft: Am Wochenende bewältigte die Berliner Linksfraktion den Aufstieg zum Brocken im Harz in beachtlichem Tempo. So konditioniert, soll auch der schon heftig ausgebrochene Wahlkampf bewältigt werden, gekrönt mit einem entsprechenden Ergebnis am 18. September. In Wernigerode bereitete sich die Fraktion dafür auf einer Klausur auch inhaltlich vor.

Die Basis für den erhofften Aufstieg in der Wählergunst ist nach Ansicht von Fraktionschef Udo Wolf bereitet. »Die meisten Entscheidungen für ein soziales Berlin gehen auf unsere Initiative zurück.« Beispiel Schulreform, öffentlicher Beschäftigungssektor (ÖBS) oder der Trend zur Rekommunalisierung. In Vielem sei man bundesweit Vorreiter. Unter einer anderen Regierungskonstellation könnte es aber auch schnell wieder kaputtgemacht werden, warnte Wolf.

Gemeint ist vor allem der ÖBS, um den es gerade heftigen Streit gibt mit dem Koalitionspartner. Der weigert sich, die Mittel für die Finanzierung der ÖBS-Stellen freizugeben. »Das ist ein ernster Konflikt mit der SPD. Sie versucht, nach der Hamburg-Wahl mit uns zu zocken«, schimpfte der Fraktionsvorsitzende und vermutet eine Neidattacke. Denn der ÖBS entwickelt sich gerade zum Berliner Exportschlager: Brandenburg baut diesen Sektor auf, in Nordrhein-Westfalen denkt man darüber nach.

In Berlin konnten Langzeitarbeitslose in etwa 7500 ÖBS-Stellen vermittelt werden, wo sie mindestens 1300 Euro verdienen – eine soziale Alternative zu Ein-Euro-Jobs. Sozialsenatorin Carola Bluhm hat in Verhandlungen mit der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erreicht, dass die vom Bund für die Bürgerarbeit spendierten Gelder – 900 Euro pro Stelle – mit eigenen Finanzen zu ÖBS-Stellen aufstocken darf. Pro Stelle wären das etwa 400 Euro. Die SPD wolle die Landesmittel aber nicht freigeben, obwohl sie im Haushalt vorhanden sind, kritisierten die LINKEN. Nach Hamburg sieht Wolf bei ihr Zeichen für einen Rückfall in alte Zeiten: »Es gibt Verwirrung, ob sie sich dem Kurs der Agenda 2010 oder dem der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet fühlt.«

Für Wirtschaftssenator Harald Wolf ist die Agenda 2010 ein »Instrument für massenhaftes Lohndumping«. Folge: In Berlin seien seit 2005 zwar 140 000 neue Arbeitsplätze entstanden, viele aber in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Dies müsse man auch deutlich machen, wenn eine Protagonistin von Rot-Grün sich in Berlin um den Chefposten im Roten Rathaus bewirbt, sagte der Spitzenkandidat der LINKEN an die Adresse seiner Konkurrenten von den Grünen, Renate Künast. Berlin habe am konsequentesten versucht, dagegen anzugehen und als erstes Bundesland ein Vergabegesetz erlassen, wonach nur noch Unternehmen öffentliche Förderung erhalten, die Mindestlohn zahlen. Und Arbeitssenatorin Carola Bluhm arbeitet an einem Gesetzentwurf für einen bundesweiten Mindestlohn über 8,50 Euro, der noch vor der Sommerpause in den Bundesrat eingebracht werden soll. »Wir wollen nicht irgendwelche, sondern existenzsichernde Arbeit«, so Wolf.

Neben »guter Arbeit für die Stadt« haben sich die LINKEN auch »gutes Wohnen für alle« auf die Fahnen geschrieben. Und gehen auf Distanz zu Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Anders als diese ist für sie der Wohnungsmarkt mit steigenden Mieten und stagnierenden Einkommen bereits angespannt. »Wir stehen kurz vor einer neuen Phase des Wohnungsmangels«, so Udo Wolf. Dem will die LINKE mit einem neuen sozialen Wohnungsbau begegnen, der sich aber deutlich vom überkommenen unterscheiden soll. Künftig sollen nicht mehr Bauwirtschaft und Hauseigentümer gefördert werden, sondern die Bedürftigen. Die Fraktion verabschiedete ein Papier, wonach jährlich 3000 Wohnungen für Haushalte mit geringem Einkommen errichtet werden sollen, hauptsächlich von den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Auch durch Zukäufe können sie ihren Bestand erweitern. Dafür sollen sie keine Abgaben mehr ans Land zahlen müssen und können landeseigene Grundstücke günstiger über Erbpachtverträge und niedrige Zinsen erwerben. Ehemals öffentlich geförderte Sozialwohnungen, für die jetzt Mieten von über zehn Euro pro Quadratmeter drohen oder schon gezahlt werden, sollen möglichst in den kommunalen Bestand übernommen werden.

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