Privatisierte Entwicklungshilfe

Bundesregierung baut mit »Entwicklungsschatzbriefen« auf private Anleger

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 2 Min.
Der liberale Minister Dirk Niebel baut auf private Anleger. Sie sollen ihr Geld in Entwicklungshilfe investieren. Privat angekurbelt, könnte Deutschland mit diesem neuen Finanzprodukt endlich seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen.

Der erste »Entwicklungsschatzbrief« soll 2012 auf den Markt kommen, zunächst versuchsweise. Gesucht werden dafür Gutmenschen. Der Schatzbrief soll nämlich einerseits an einen guten Zweck gebunden, anderseits aber auch renditefrei sein. Das neue Finanzprodukt, so FDP-Politiker Niebel, »richtet sich an Menschen, die nicht spenden wollen, also ihr Geld wiederhaben wollen, aber nicht auf die Rendite schielen«. Zinsen soll es daher für die Sparer keine geben. In Niebels Ministerium denkt man lediglich an einen Inflationsausgleich.

Die Privatisierung soll keine Eintagsfliege bleiben. »Mit einem solchen Entwicklungsschatzbrief für Privatanleger soll – bei entsprechender Resonanz – eine neue, eigenständige Finanzierungsquelle für die Entwicklungszusammenarbeit erschlossen werden«, heißt es in dem Eckpunktepapier der schwarz-gelben Bundesregierung zum Bundesetat 2012. Der Verzicht der Sparer auf eine Rendite würde dem Bund helfen, Zinsen einzusparen. Der »Gewinn« könnte dem Entwicklungshilferessort zugeschlagen werden, heißt es in den Eckpunkten.

Mit der Entwicklung des Schatzbriefes wurde die Finanzagentur des Bundes in Frankfurt am Main beauftragt. Die Agentur, eine privatwirtschaftliche »Gesellschaft mit beschränkter Haftung«, kurz GmbH, wickelt die Verschuldung des Bundes ab. Sie wird in diesem Jahr etwa 300 Milliarden Euro neue Verbindlichkeiten für die Bundesregierung aufnehmen und damit vor allem Altkredite und auslaufende Schatzbriefe tilgen.

Hinter dem Versuch, neue Finanzquellen zu erschließen, stehen alte internationale Verpflichtungen, die Deutschland ebenso wie die meisten Industriestaaten bislang nicht erfüllt. Zudem haben sich die großen Staaten in der EU verpflichtet, bis 2015 für Entwicklungshilfe 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) auszugeben. Kanzlerin Merkel hatte erst kürzlich dieses Ziel bekräftigt. Angesichts knapper öffentlicher Kassen und der 2009 im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse scheint diese »ODA-Quote« jedoch in weite Ferne zu rücken. Um die 0,7 Prozent zu erreichen, müsste Niebels Etat um zehn Milliarden Euro aufgestockt werden. »Deswegen«, erklärte der Minister in einem Interview, »bemühe ich mich um innovative Finanzierungsinst-rumente«.

Noch eine weitere Quelle außerhalb des ordentlichen Bundesetats will Niebel anzapfen, das seit Januar eingerichtete Sondervermögen »Energie- und Klimafonds«. Die Betreiber von Atomkraftwerken sollen zukünftig in den Fonds einen Teil ihrer Extraprofite einzahlen, die aus der Laufzeitverlängerung von AKW entstehen. Zudem sollen ab 2013 Erlöse aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten in den Fonds fließen, mit denen sich die Industrie Ausstoßmengen von Treibhausgasen kauft.

Niebels Idee, einen Teil der eigentlich staatlichen Entwicklungshilfe privat zu finanzieren, dürfte das Bild der Bundesrepublik im Ausland schönen. Bislang erhalten neben Ägypten und Afghanistan, die

aufstrebenden Länder Brasilien, China und Indien die meisten Mittel aus dem Entwicklungshilfetopf ausgeschüttet. Auch das will Niebel ändern.

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