BLOGwoche: Ölprinz Guttenberg

  • Lukas Heinser
  • Lesedauer: 2 Min.

Am Ende sind sie alle geschockt. Auf den Fernsehschirmen ist Adolf Hitler zu sehen, der »Führer« ihrer Organisation. »Ja, ja, Ihr wärt alle gute Nazis gewesen«, sagt ihr Lehrer Ben Ross und die Schüler in der vollbesetzten Aula schweigen betreten. Steht »Die Welle« von Morton Rhue eigentlich immer noch auf dem Lehrplan von Englischkursen?

Nazi-Vergleiche verbieten sich eigentlich als Stilmittel in der sachlichen Auseinandersetzung. Und dennoch fällt es schwer, angesichts von Hunderttausenden, meist jungen Menschen, die sich bei Facebook »Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg« aussprechen oder »Wir wollen Guttenberg zurück« fordern, nicht von einer »Guttenbergjugend« zu sprechen. Es ist schwer zu sagen, woher ausgerechnet bei einer eher als unpolitisch gescholtenen Jugend plötzlich diese Begeisterung für einen einzelnen Minister herkommt – noch dazu für einen von der CSU, die sonst nicht unbedingt einen übermäßigen Zuspruch junger Wähler erfährt. Ist es wirklich »eine ganz natürliche Neigung der Menschen, nach einem Führer Ausschau zu halten, nach irgendjemandem, der alle Entscheidungen« trifft, oder fällt das Licht einer Massenhysterie hier eher zufällig auf einen Politiker?

Chuck Klosterman hat einmal geschrieben, dass man wahrscheinlich alle Menschen außerhalb seines engsten Freundeskreises mit einem einzigen Satz beschreiben könne. In Wahrheit reicht vermutlich ein einziges Wort oder Gefühl aus: Der Typ, der auf dem Schulhof immer alleine rumstand? »Nerd«. Stefan Effenberg? »Trottel«.

Wer das politische Tagesgeschäft nicht mal mindestens verfolgt, aber an Titelbildern wie »Der coole Baron«, »Die fabelhaften Guttenbergs« oder »Wir finden die GUTT!« vorübergeht, speichert den charismatischen Franken natürlich schnell unter »cool« ab, so wie ich als Kind Helmut Kohl unter »dick und mit Sprachfehler« abgespeichert hatte. Wenn Guttenbergs Karriere nicht ein jähes vorläufiges Endes gefunden hätte, wäre er bis zur Bundestagswahl 2013 sicher noch auf dem Cover der »Bravo« aufgetaucht.

Der Autor ist Blogger bei BILDblog.de und coffeeandtv.de und lebt in Bochum;

zum Weiterlesen: www.coffeeandtv.de/2011/03/04

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.