Keine Zahlen zu »Castor und Krebs«
Niedersachsens Sozialministerin: Nicht alle Erkrankungen im Wendland gemeldet
Knapp zwei Stunden lang tat Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) am Dienstag auf einer CDU-Veranstaltung in Dannenberg kund, wie viel Gutes die schwarz-gelbe Landesregierung mit ihrer Gesundheitspolitik leiste. »Pflege und ärztliche Versorgung« war der Diskussionsnachmittag überschrieben. Doch das Erscheinen der Ministerin hatte auch Besucher angelockt, die an einem ganz anderen Thema interessiert waren: an möglichen gesundheitlichen Auswirkungen des in Castor-Behältern gelagerten hochradioaktiven Mülls in Gorleben.
Özkan war schon fast am Aufbruch, als die Vorsitzende der Bürgerinitiative Umweltschutz (BI), Kerstin Rudek, Fragen zu »Castor und Krebs« stellen wollte. Zwar war dies nicht geplant, doch wurde der Bitte entsprochen, denn: Wer auf der politischen Bühne, gleich welcher Couleur, wird schon in den Tagen der Fukushima-Katastrophe etwas atomkritisches abwürgen?!
Schon Anfang Dezember 2010, so erinnerte die BI-Vorsitzende, hatte die Initiative schriftlich beim Sozialministerium angefragt, ob es sich um Daten über Krebserkrankungen im Raum Gorleben kümmert. Monate lang gab es keine Reaktion aus Hannover. Doch am Montag, genau einen Tag vor dem Auftritt der Ministerin in Dannenberg, erhielten die Atomkraftgegner einen Antwortbrief. »Das hat nichts mit meinem Besuch hier zu tun«, beteuerte Özkan, »sondern mit einem Fehler in meinem Haus.«
Was das Sozialministerium tue, um aussagekräftige Zahlen zu »Gorleben und Krebs« zu bekommen, wollte Kerstin Rudek wissen: »Wir haben hier eine überproportionale hohe Erkrankungsrate von Kindern an Krebs.« Die Häufung sei ähnlich wie in der Umgebung des Atomkraftwerkes Krümmel in der Elbmarsch. Dort und auch im Umfeld des maroden Atommülllagers Asse hatte das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen – eine Institution des Landes – eine erhöhte Zahl von Leukämie-Fällen festgestellt.
Analysen zu Krebserkrankungen und -quellen seien nur möglich, so die Ministerin, wenn die Erkrankungen dem Krebsregister vollzählig gemeldet werden. Aus Lüchow-Dannenberg seien von Ärzten nur 31 Prozent der Fälle mitgeteilt worden. »Das ist die schlechteste Melderate, die wir in Niedersachsen haben.« Im Bereich Asse habe diese Rate bei 95 Prozent gelegen. Ein Problem für die Ärzte sei die Vorschrift, dass sie die Erkrankungen nur mit Zustimmung der Patienten melden dürfen. »Wir bereiten ein Gesetz vor, das Ärzte und Krankenhäuser zur Meldung von Krebsfällen verpflichtet«, sagte die Ministerin. Angestrebt sei zudem ein »kleinräumiges Monitoring« mit »Sonderauswertungen«, etwa an Orten mit kerntechnischen Anlagen. »Wenn wir dann feststellen, dass bestimmte Krebsarten auffällig sind, kann die Ursachenforschung beginnen«, erklärte Aygül Özkan.
Auch im verspäteten Brief aus dem Ministerium war etwas zum Thema »Ursachen« zu lesen, ein Satz, der bei den Bürgerinitiativlern nur Kopfschütteln auslöste: »Bisher gibt es keinen nachgewiesenen Kausalzusammenhang zwischen Krebs-Neuerkrankungen und der Nähe zu kerntechnischen Anlagen«. Dies, so die Umweltschützer, sei eine »Killerphrase, mit der das Sozialministerium die Besorgnisse der Anwohner von Atomanlagen beiseite wischt«. Die wirksamste Form der Krebs-Vorsorge, bekräftigt die BI, sei der Verzicht auf Atomkraft.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.