Pannen verzögern Auszählung in Hessen

Ungültige Stimmen in Frankfurt werden überprüft / Briefwahlunterlagen in Selters verbrannt

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Obwohl Sieger und Verlierer schon am Wahlabend klar sichtbar waren, lag auch am vierten Tag nach der hessischen Kommunalwahl noch kein vorläufiges Endergebnis vor. Hauptgrund dafür sind Pannen in zwei Orten.

Am Sonntag hatten die Hessen neue Gemeindevertreter gewählt. Doch noch am Donnerstag wurden in der Mainmetropole Frankfurt Stimmzettel nachgezählt. Das komplizierte hessische Kommunawahlrecht hat offenbar auch ehrenamtliche Wahlhelfer überfordert. So haben Stichproben ergeben, dass etliche Stimmzettel mit gehäuften Personenstimmen fälschlicherweise als ungültige Stimmen gewertet worden waren. Deshalb werden seit Mittwoch alle in die Kategorie »ungültig« eingeordneten rund 19 000 Stimmzettel neu überprüft. Weil sich durch Stimmenhäufungen die Reihenfolge der Bewerber auf den Listen ändern kann, dürfte erst am heutigen Freitag die endgültige personelle Zusammensetzung des neuen Stadtparlaments und der Ortsbeiräte feststehen.

Noch peinlicher ist die Tatsache, dass in der Taunusgemeinde Selters bei Limburg versehentlich drei Kisten mit Briefwahlunterlagen entsorgt und verbrannt wurden und daher die Briefwahl in drei Ortsteilen wiederholt werden muss. Diese Pannen ändern allerdings nichts daran, dass auch Hessen dem allgemeinen Trend anschließt, wie er am Sonntag in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zum Tragen kam. So sind nach dem vorliegenden Trendergebnis bei einer Wahlbeteiligung von 47,7 Prozent im Vergleich zur Kommunalwahl 2006 Verluste der Regierungsparteien CDU und FDP unübersehbar. Der CDU-Anteil verringerte sich von 38,5 auf 33,4 Prozent, die Liberalen schrumpften von 5,8 auf 3,5 Prozentpunkte.

Als strahlende Gewinner der Kommunalwahl konnten die Grünen ihren Anteil von 9,2 auf 20 Prozent mehr als verdoppeln. Grüne Hochburgen sind insbesondere Groß- und Universitätsstädte. In Darmstadt etablierte sich die Partei als stärkste Rathausfraktion, hier lag der Grünen-Kandidat Jochen Partsch bei der Oberbürgermeister-Direktwahl klar vor dem SPD-Amtsinhaber Walter Hoffmann. In Frankfurt verwiesen die Grünen mit 25,8 Prozent erstmals die SPD auf Platz drei, die sich auf 21,3 Prozent verschlechterte.

Trotz eines Rückgangs von 34,7 auf 30,9 Prozent konnte die SPD ihre Mehrheitsposition im Norden des Landes behaupten. Wegen der Stärke der Grünen sind nun auch in etlichen Orten und Kreisen erstmals Koalitionen aus SPD und Grünen möglich. Die Konstellationen sind jedoch vielfach von örtlichen Umständen geprägt. So dürfte in Frankfurt die bestehende schwarz-grüne Koalition fortgesetzt werden, während in der Landeshauptstadt Wiesbaden die Sozialdemokraten nach zehn Jahren Opposition ein Bündnis mit der CDU anstreben. Hier war vor kurzem ein »Jamaika«-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP geplatzt. Mit einem rechnerisch möglichen Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei rechnet in Wiesbaden niemand.

Da das hessische Kommunalwahlrecht keine Fünf-Prozent-Hürde kennt, kamen vielfach auch kleinere Parteien und örtliche Wählervereinigungen zu Mandaten. So etwa in Frankfurt die Vereinigung ÖkoLinX um die ehemalige Grünen-Aktivistin Jutta Ditfurth. Die Piratenpartei errang in sieben größeren Städten und zehn Landkreisen insgesamt 26 Sitze. DIE LINKE, die 2006 als Partei noch nicht bestand, konnte mit einem Anteil von rund 3,5 Prozent landesweit einige Mandate in Stadt und Land sowie in etlichen Ortsbeiräten hinzugewinnen, wie etwa in Offenbach und Wiesbaden, musste jedoch in Frankfurt und Kassel leichte prozentuale Verluste hinnehmen. In Gießen waren Mitglieder der Linkspartei auf zwei konkurrierenden Wahlvorschlägen gegeneinander angetreten. Beide Listen sind in Stadtparlament und Kreistag mit jeweils zwei bzw. einem Mandat vertreten.

Weitgehend bedeutungslos bleiben rechtsextreme Gruppierungen. Die Republikaner halbierten ihren Anteil landesweit auf 0,7 Prozent, die NPD stagnierte bei 0,4 Prozent.

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