Gute Nacht in Schönefeld?

Wirtschaft will möglichst lange fliegen, Anwohner fürchten um ihren Schlaf

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Eric Schweitzer schien sogar ein wenig stolz zu sein. Seit sieben Jahren sei er nun schon Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer, aber dass vorm IHK-Gebäude protestiert wird, habe er bisher noch nicht geschafft. Am Mittwochabend war es soweit. Weil drinnen Wirtschaftsvertreter die Notwendigkeit von Nachtflügen am neuen Schönefelder Flughafen diskutierten, protestierten Bürgerinitiativen draußen dagegen. »Kein Nachtflug zwischen 22 – 6 Uhr«, »Totales Nachtflugverbot« oder »Flughafen Schönefeld, so nicht: Kein Nachtflug« war auf den Transparenten der aus Mahlow, Kladow oder Teltow angereisten Bürger zu lesen.

Auf dem Podium im Ludwig-Erhard-Haus war man da etwas anderer Meinung. Bereits die jetzige Regelung mit einem Nachtflugverbot zwischen 0 und 5 Uhr und Beschränkungen in den Stunden davor und danach sei ein Kompromiss und nur »unter Schmerzen« hinnehmbar, so Karl Friedrich Müller vom Beraterbüro Aviation Consult, der eine Bedarfsanalyse für den Flugverkehr vorstellte. Eine weitere Reduzierung auf einen »reinen Tagflug« hätte katastrophale Auswirkungen auf ein marktgerechtes Angebot.

Dabei geht es der Wirtschaft besonders um die sogenannten Randzeiten. Während laut Planfeststellungsbeschluss des Potsdamer Infrastrukturministeriums vom Oktober 2009 in der Kernzeit zwischen 0 und 5 Uhr gar nicht geflogen werden darf (Ausnahme: Regierungs-, Post- und Rettungsflüge), sollen in den Randzeiten zwischen 22 und 24 sowie 5 und 6 Uhr 77 Flüge erlaubt sein, in Spitzenzeiten auch 103. In den halben Stunden vor der Kernzeit sind zudem nur verspätete oder verfrühte Flüge zulässig. Dagegen klagen Anwohner, denen die fünf Stunden Nachtruhe nicht ausreichen, und die Fluggesellschaft Air Berlin, die noch öfter fliegen will, vor dem Bundesverwaltungsgericht. Das Urteil wird im Sommer erwartet.

Für das IHK-Podium war die Sache klar: Ohne einen wirtschaftlichen Flughafen kein wirtschaftlicher Aufschwung. Die derzeitige Nachflugregelung sei deshalb »das Äußerste, was die Region verkraften kann«, so IHK-Vize-Hauptgeschäftsführer Christian Wiesenhütter, nachdem Flugexperte Müller erklärt hatte, unter welchen Zwängen der Flughafen steht. »Touristen wollen morgens in den Urlaub fliegen, Dienstreisende an einem Tag zum Termin und wieder zurück, die Wirtschaft will Express-Fracht.« Zudem kenne er keinen Flughafen, der von Billigfliegern angesteuert wird, wo Flüge in den Randzeiten verboten sind. Diese Airlines seien von der Produktivität ihrer Flugzeuge abhängig.

Sollte in den Randzeiten nicht geflogen werden dürfen, werde man die Flugzeuge eventuell nicht mehr in Berlin stationieren, kündigte der Air-Berlin-Vertreter an. Flughafenchef Rainer Schwarz hat schon ausrechnen lassen, wie viele Arbeitsplätze in diesem Fall nicht entstehen würden – 18 000. Schon mit der jetzigen Regelung sei das Wachstum des Flughafens stark eingeschränkt. Zunächst werde man mit dem Kontingent der 77 Flüge auskommen, aber ab 2023 werde es ausgeschöpft sein. »Wir werden nur marginal wachsen können.«

»Hier wird viel über Wirtschaft geredet, aber der Wirtschaftsfaktor Mensch fehlt. Und der braucht mehr Schlaf als von 0 bis 5 Uhr«, empörte sich eine Frau aus Kleinmachnow. Einige Protestler hatten es doch in den Konferenzsaal geschafft. Eine Teltowerin fand es fatal, dass permanent die Wirtschaftsinteressen in den Vordergrund geschoben werden und nicht das Schlafbedürfnis der Kinder. Die Wirtschaftsvertreter trösteten, dass es ja künftig eine längere Nachtruhe geben werde als derzeit, da in Schönefeld noch rund um die Uhr geflogen werden kann. Allerdings nutzten das in der Nacht zum Donnerstag nur vier Flieger, wie ein Mann aus Werder herausgefunden hatte. Künftig werden es 20mal so viele sein.

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