Arbeit, Krise, Kapital

Konferenz in Lissabon zu sozialen Konflikten

  • Ralf Hoffrogge
  • Lesedauer: 2 Min.

»Workers fight meltdown in Fukushima plant« (Arbeiter bekämpfen Kernschmelze in Fukushima) war Ende März dieses Jahres als Schlagzeile in einer internationalen Tageszeitung zu lesen. Auf die Arbeitenden kommt es an in Zeiten der Katastrophe. Sie sind Teil der Lösung, die japanische Reaktorbetreiberin TEPCO hingegen Teil des Problems. Dies erscheint symbolisch in Zeiten der Krise, wo die Interessenkonflikte von Arbeitenden und Unternehmern sich kaum noch verbergen lassen. Die Schicht der Nutznießer des Status quo ist deutlich geschrumpft, seit auch Kernbelegschaften und »Mittelschichten« sich nicht mehr auf »ihren« Wohlfahrtsstaat verlassen können. Was läge näher, als in dieser Situation eine Brücke zu schlagen zwischen historischer Arbeiterbewegung und aktuellen sozialen Konflikten?

Genau das versuchte die Konferenz »Strikes and Social Conflicts in the 20th century« (Streiks und soziale Konflikte im 20. Jahrhundert) dieser Tage am zeithistorischen Institut der Universität in Lissabon. Die Teilnahme von 150 Referenten und Referentinnen aus 20 Ländern bewies: Labour History (Geschichte der Arbeit) gewinnt international an Bedeutung – eine Tendenz, die mit den aktuellen ökonomischen Entwicklungen eher zu- als abnehmen dürfte.

Die Tagung wurde eröffnet von Marcel van der Linden (Amsterdam), der einen Rückblick auf die Geschichte des Faches warf, die bahnbrechenden Werke von E.P. Thompson und Eric Hobsbawm würdigte, jedoch in der bisherigen Forschung eine Verengung auf die Nation beklagte. Serge Wolikow (Paris) stimmte dem zu und forderte eine umfassendere Sozialgeschichte, die die ganze Welt der Arbeit umfasse.

Die Konferenz selbst war thematisch breit angelegt: Neben Lohnstreiks (Dave Lydden und Terry Brotherstone, Großbritannien) kamen Bauernrevolten (Yelda Kaya, Türkei) und sogar Soldatenaufstände, wie Portugals Nelkenrevolution von 1974 in den Blick. In einigen Beiträgen wurde deutlich, dass Arbeiterbewegungen keinesfalls automatisch auf der Seite von Fortschritt und Emanzipation stehen: Wessel Visser (Stellenbosch) berichtete über einen Bergarbeiterstreik im Südafrika 1979, der sich gegen die Beförderung von Schwarzen auf höher qualifizierte Posten wandte. Eine Brücke in die Gegenwart schlug das Referat von Florian Butollo (Frankfurt am Main), der die Streikwelle in China im Sommer 2010 analysierte; sie deute seiner Ansicht nach auf die Entstehung einer unabhängigen Arbeiterbewegung hin. Daran schlossen sich die Ausführungen von Beverly Silver (USA) an, die China als Zentrum zukünftiger Arbeiterunruhen ausgemacht hatte. Die Organisatoren der Konferenz planen, die Debatten fortzuführen und eventuell sogar eine internationale Zeitschrift zum Thema ins Leben zu rufen.

Während sich international also so einiges tut, ist die neue Globalgeschichte der Arbeit an deutschen Universitäten leider bisher kaum vertreten.

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