Ohrfeige für Wowereit

Trotz Gerichtsurteil plant Senat die A 100 weiter / Kläger optimistisch

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Ungeachtet des vom Bundesverwaltungsgericht ausgesprochenen vorläufigen Stopps für die Verlängerung der Stadtautobahn A 100 nach Treptow (ND berichtete) treibt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Vorbereitung des Projekts weiter voran. »Für die Ausführungsplanungen haben wir weiterhin grünes Licht«, so Mathias Gille, Sprecher von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Das Gericht habe dem Senat sogar erlaubt, die Ausschreibungen für die Bauleistungen voranzutreiben.

Die Entscheidung sei somit für den Senat »kein Rückschritt«, da ein sofortiger Baubeginn, wie ihn das Gericht untersagt hat, ohnehin nicht vorgesehen war, sagte Gille. Der Bau werde nicht vor März 2012 beginnen. Auf Druck der Linkspartei, die das 440 Millionen Euro teure Projekt ablehnt, hatte der Senat die endgültige Entscheidung über den Bau der A 100 auf die Zeit nach der Abgeordnetenhauswahl verschoben.

Das Gericht hatte am Donnerstag einem Eilantrag des Umweltverbandes BUND, der Wohnungsgenossenschaft Neukölln und eines Gewerbetreibenden stattgegeben und entschieden, dass mit dem Bau der Autobahn nicht begonnen werden darf. Das Gericht brachte auch seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass der Senat nicht von selbst die sofortige Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses außer Kraft gesetzt hat, da ja noch keine Bauabsicht besteht. »Damit wäre das Eilverfahren überflüssig geworden und die Steuerzahler hätten Geld gespart«, so Harald Moritz von der Bürgerinitiative Stadtring-Süd (BISS). »Denn die Kosten des Rechtsstreits bezahlt Berlin.«

Ob die Autobahn überhaupt gebaut werden darf, ist abhängig von der Entscheidung im Hauptverfahren, für das es allerdings noch keinen Termin gibt. Zu den Klägern gegen die Autobahn gehören auch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und mehrere Anwohner. Sie sind erfreut darüber, dass das »erste Etappenziel beim juristischen Kampf gegen die A 100 erreicht ist«, so Moritz. Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) nennt das Urteil »eine schallende Ohrfeige für Wowereit und seinen A 100-Wahn«. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) müsse jetzt endlich die Notbremse ziehen. Der Bezirk befürchtet bei einer Verlängerung der A 100 ein Verkehrschaos rund um die Elsenbrücke über die Spree und einen Dauerstau in den angrenzenden Wohngebieten. Dies hatte ein Gutachten ergeben, das der Bezirk in Auftrag gegeben hatte.

Die Verkehrsexpertin der Grünen, Claudia Hämmerling, forderte den Senat auf, keine weiteren Aufträge zu erteilen und die vom Parlament bewilligten weiteren Planungsgelder für die A 100 in Höhe von 1,7 Millionen Euro in die Schlaglochsanierung zu stecken.

Diese Absicht hat die Stadtentwicklungsverwaltung nicht. Man sehe der Hauptverhandlung gelassen und optimistisch entgegen, so Sprecher Gille. Das gilt auch für die Gegenseite. »Wir sind sicher, dass die Kläger auch im Hauptverfahren siegen werden und dieses unsinnige Betonprojekt niemals realisiert wird«, erklärte Moritz.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.