Ausnahmefall Müllschlucker
Rat der Bürgermeister setzt sich für Erhalt der Sammelanlagen ein
Kleiner Hoffnungsschimmer für die Nutzer von Müllschluckern: Der Rat der Bürgermeister hat sich jetzt für den Erhalt des bequemen Sammelsystems ausgesprochen, sofern die Mülltrennung gewährleistet ist. Senat und Abgeordnetenhaus sollen sich noch einmal mit dem bequemen Sammelsystem befassen.
Das Parlament hatte erst vor einem Jahr mit der Novellierung der Bauordnung die Abschaffung der Müllabwurfanlagen beschlossen, was vor allem in den Ostbezirken einen Sturm der Empörung auslöste. Petitionen an das Abgeordnetenhaus wurden verfasst, und besonders die Linkspartei bekam viel Ärger, weil sie die Gesetzesänderung nicht verhinderte. Denn Müllentsorgung kann so einfach sein: Kurzer Weg übern Flur, Klappe auf, Müll rein.
In etwa 4000 Hochhäusern in der Stadt ist das noch so möglich. Bereits 80 Prozent der Anlagen sind jedoch bereits stillgelegt, der Rest soll nach dem Willen des Abgeordnetenhauses bis zum 31. Dezember 2013 folgen. »Wir hatten uns unter anderem davon leiten lassen, dass viele Müllabwurfschächte bereits geschlossen wurden und dass die Mülltrennung dort dann nachweislich besser funktioniert hat«, schrieb LINKE-Landeschef Klaus Lederer jetzt an eine Lichtenberger Mieterinitiative, die sich für den Erhalt einsetzt. »Dabei haben wir die praktische Wirkung auf die Betroffenen offenbar zu wenig beachtet«, räumte Lederer ein.
Dass die Änderung der Bauordnung generell wieder zurückgenommen wird, kann sich Lederer nicht vorstellen, denn Gründe der Schließung bestünden fort: die Wahrung von Brandsicherheit, Hygiene und Abfalltrennung. Aber er hofft auf eine »klarstellende Ergänzung«. Dass nämlich jene Ausnahmeregelung, die aus dem ursprünglichen Gesetzesentwurf aus unerfindlichen Gründen gestrichen wurde, wieder eingefügt wird. Demnach könnten die Müllschlucker weiter betrieben werden, »wenn die Einhaltung der abfallrechtlichen Trennungspflicht gewährleistet ist.«
Das entspricht auch den Intentionen des Rates der Bürgermeister, dessen einstimmiger Beschluss auf Initiative des Bezirks Marzahn-Hellersdorf zustande gekommen ist. »Auch in den Häusern mit Müllschluckern können Wertstoffe wie Papier, Glas, Kunststoffverpackungen getrennt erfasst werden, die Wohnungsunternehmen haben da schon eine Menge investiert«, sagt Stadtentwicklungsstadtrat Norbert Lüdtke. Teilweise funktioniere das sogar besser als in den Beständen ohne die Abwurfanlagen, wie eine Untersuchung des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen ergeben habe. Das Restmüllaufkommen sei hier geringer, was sich über die Betriebskostenabrechnung nachweisen lasse.
Von einer Stilllegung der Anlagen wären laut Lüdtke etwa zwei Drittel der 100 000 Wohnungen in der Großsiedlung betroffen. Auf die Wohnungsunternehmen kämen in diesem Fall hohe finanzielle Belastungen zu, da sie neue Standplätze für die Müllcontainer einrichten müssten.
Der Rat der Bürgermeister erwartet nun eine zeitnahe Entscheidung des Senats. Doch dort sieht man keinen Anlass, sich mit dem Thema noch einmal zu befassen. »Die novellierte Bauordnung ist inzwischen Gesetz, weder der Rat der Bürgermeister noch der Senat können das ändern, sondern nur das Abgeordnetenhaus«, sagt Petra Rohland, Sprecherin von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Aber auch im Parlament bremst die SPD das Drängen des Koalitionspartners. »Wir sind für Kontinuität und können Gesetze nicht nach belieben ändern«, so der wohnungspolitische Sprecher, Michael Arndt. Persönlich sei er zwar dafür, die Anlagen zu erhalten, aber die Mehrheit habe anders entschieden.
Trotzdem müssten die Müllschlucker nicht geschlossen werden, wenn nach dem Beispiel Lichtenbergs verfahren wird, sagt Arndt. Dort ist man auf den Paragraphen 68 der Bauordnung gestoßen, wonach Abweichungen vom Gesetz möglich sind, sofern sie im öffentlichen Interesse liegen. Bei sanierten Müllabwurfanlagen sieht dies das Bezirksamt als gegeben an.
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