Löcher in der Solikasse

Die FDP Mecklenburg-Vorpommerns hat ihren bisherigen Frontmann Michael Roolf verjagt

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Eigentlich sollte Michael Roolf, Chef der FDP-Fraktion im Schweriner Landtag, die Liberalen Mecklenburg-Vorpommerns in den Landtagswahlkampf 2011 führen. Doch es kam anders.

Mitten in ihren Vorbereitungen auf die Landtagswahlen im September bescherte sich auch die FDP in Mecklenburg-Vorpommern eine interne Krise. Dabei ging es nicht etwa um die Kurswechsel der jüngeren Zeit, in denen man sich plötzlich als »Antreiber« der »Atomsicherheitsdebatte« darstellte.

Zumindest vordergründig ging es um die sogenannte »Schnur-Liste«, benannt nach dem liberalen Abgeordneten Toralf Schnur. Im Jahr 2006, nach dem triumphalen Wiedereinzug in den Schweriner Landtag unter dem jetzigen Fraktionschef Michael Roolf mit 9,6 Prozent, sollen die sieben frischgebackenen FDP-Parlamentarier vereinbart haben, jeweils auch 9,6 Prozent ihrer Bezüge beiseitezulegen. Knapp 200 000 Euro wollte die klamme Partei so zusammentragen. Doch ausgerechnet der Fraktionschef Michael Roolf soll nicht gezahlt haben, jedenfalls nicht alles. Kurz vor dem Parteitags-Wochenende erreichte ihn deswegen ein wütender Brief mehrerer Kreischefs. Dass Roolf, der 2006 auch Spitzenkandidat war, am Sonntag mit nur 90 von 190 Stimmen in dieser Rolle nicht bestätigt wurde, kann daher kaum erstaunen.

Der seinerzeit vereinbarte »Wahlkampfzehnte« summierte sich. Bei Roolf, der als Fraktionschef doppelte Bezüge erhält, soll es um rund 720 Euro im Monat gegangen sein – insgesamt also um mehrere zehntausend. Wie viel Roolf, der gegenüber der »Schweriner Volkszeitung« die Verbindlichkeit besagter Vereinbarung bestritten hat, auch immer schuldig geblieben sein mag: Das Fehlen der Summe ist ein Schlag für die liberale Solikasse.

Politik freihändig

Mit Roolf, der nach seinem Durchfallen den Rückzug verkündete, verliert die FDP im Nordosten zumindest ein Gesicht. Politisch aktiv wurde der Autohausbesitzer zunächst in Wismar, wo er bis 2005 in der Bürgerschaft saß, zeitweise als Fraktionschef. Seine Spitzenkandidatur im Jahr 2006 endete im Triumph: Hatte die Partei bei der Wahl 2002 nur 4,7 Prozent erreicht (1998 lag sie sogar unter zwei Prozent), wurde ihr Ergebnis nun nahezu zweistellig.

Entsprechend selbstbewusst trat Roolf dann aber auch auf; der Kurs der FDP-Fraktion wirkte bisweilen recht freihändig. Mal klang es bürgerrechtlich, als man zum Beispiel gegen das Kraftfahrzeug-Scannen auf Autobahnen zu Felde zog. Zuweilen war man sozialliberal, als es gegen Kürzungen bei Bildung oder Kultur ging. Kurz darauf aber griff die Nordost-FDP den schon seit rot-roten Zeiten mühsam ausgeglichenen Landeshaushalt ungerührt als »strukturelles« Verschuldungs-Armageddon an, weil der Etat natürlich Bundesmittel aus dem Ost-Aufbau enthält. Auf Stuttgart 21 reagierte Roolf mit einem Vorstoß für transparentere Genehmigungsverfahren und zuletzt sah er sich selbst als den verantwortlichsten Atompolitiker weit und breit.

Nur noch fünf Prozent

Auf Gino Leonhard, den bisherigen Fraktionsgeschäftsführer, der nun als Spitzenkandidat übernommen hat, kommt eine schwere Aufgabe zu. Schon im Januar lag die Partei bei sechs Prozent in Umfragen, im März waren es nur noch fünf Prozent. Leonhard muss nun um Glaubwürdigkeit kämpfen – wofür die peinliche Geschichte mit den Soli-Abgaben nicht die beste Basis ist. Trösten kann er sich damit, dass die Landes-FDP in Umfragen schon oft unterschätzt wurde. Selbst kurz vor ihrem Triumph im Jahr 2006 hatte man der Partei nur sieben Prozent zugetraut.

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