Gesucht: 2285 Urankugeln

Im Atommüllager Asse sind sie nicht, behauptet das Bundesamt für Strahlenschutz

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 2 Min.
Das würde für mehrere schmutzige Atombomben reichen: Knapp 2300 uranhaltige Brennelementekugeln sind aus dem einstigen Kernforschungsreaktor Jülich verschwunden. Wurden sie in der Asse abgelagert? Oder vor Ort in Jülich einbetoniert?

Das Dokument, das auf der Webseite der »Rheinischen Post« veröffentlicht wurde, scheint eindeutig zu sein: »BE-Kugeln« wurden geliefert, ist auf der »Begleitliste« vom 15.12.1976 zu lesen. Sie enthielten die radioaktiven Substanzen Thorium 232, Uran 233, 235 und 238. »Ablieferer« sei die Kernforschungsanlage Jülich GmbH, Transporteur die Bundesbahn, deren Strahlenschutzbeauftragter R. die Beförderung ebenso per Unterschrift bestätigt wie W., Mitarbeiter des Salzbergwerks Asse, den Eingang der Fracht verifiziert.

»Brennelemente wurden nach Asse geliefert«, titelte die »Rheinische Post« gestern denn auch lapidar. Doch das Bundesamt für Strahlenschutz bestreitet diese Darstellung: Nein, die knapp 2300 vermissten Brennelementekugeln aus der Kernforschungsanlage Jülich sind nicht in der Schachtanlage Asse bei Wolfenbüttel, Niedersachsen. Zwar seien dort 1976 zwei Fässer mit Brennelementkugeln aus Jülich eingelagert worden, teilte das Bundesamt gestern mit. Doch dabei könne es sich nicht um die vermissten 2285 Brennelemente handeln. Zu gering sei das Gesamtgewicht der Fracht, zu schwach strahle sie.

Also geht die Spekulation weiter: Wo sind sie hin, die Brennelemente? Die NRW-Landesregierung hat offensichtlich keine Kenntnis darüber. Noch vor ein paar Tagen sagte NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze dem »Spiegel«, die Hinterlassenschaft des 1988 stillgelegten Reaktors befinde sich »allem Anschein nach« im Bergwerk Asse. Doch genau lasse sich das heute nicht mehr herausfinden, weil die dort »eingelagerten Mengen nicht bekannt« seien.

Gelagert werden dürfen dort nur schwach- bis mittelradioaktive Substanzen, nicht jedoch Brennelemente. Beim Forschungszentrum heißt es derweil: Die Kugeln könnten einst – als eine Form der Zwischenlagerung – vor Ort einbetoniert worden sein. Könnten ...

»Wir haben es hier mit einem skandalösen Vorgang zu tun, der lückenlos aufgeklärt werden muss«, sagt Hans Christian Markert, der anti-atompolitische Sprecher der grünen Fraktion im NRW-Landtag. Das Forschungszentrum könne »keinen Nachweis über den Verbleib« der radioaktiven Kugeln erbringen. Die jedoch enthielten nach Markerts Berechnungen mindestens 2,2 Kilogramm Uran 235. Uran 235 ist der Primärenergieträger für Atomkraftwerke – und Atombomben.

Mehrheitsgesellschafterin der Forschungsanlage ist die Bundesregierung. Die gibt jedoch den Schwarzen Peter nach Düsseldorf weiter: Bundesumweltminister Norbert Röttgen (zugleich Chef der NRW-CDU) fordert Klarheit über den Verbleib der strahlenden Kugeln – vom NRW-Wirtschaftsministerium. Schließlich sei das die »zuständige Aufsichtsbehörde«.

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