Einbürgerungskampagne mit Gegenwind
Volkshochschulen werben verstärkt für deutschen Pass / Neues Unterrichtsmaterial vorgestellt
Druckfrisch präsentiert wurde gestern vom Senatsbeauftragten für Integration und Migration, Günter Piening, eine »Lehrerhandreichung mit Kopiervorlagen« unter dem Titel »Einbürgerung im Unterricht Deutsch als Zweitsprache für Erwachsene«. Damit wird mit den Volkshochschulen die Kampagne zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft fortgesetzt.
Wo besser als dort ließe sich wohl dafür werben? Hier lernen jährlich rund 10 000 Zuwanderer Deutsch, können sich Migranten auf den Einbürgerungstest vorbereiten, hier laufen Integrationskurse. »Hier können Themen wie Staatsbürgerschaft und Einbürgerung vertiefend behandelt werden«, so der Integrationsbeauftragte. Das Material dazu wurde von den Volkshochschulen Mitte und Neukölln erarbeitet und von deren Leitern, Michael Weiß und Bernd Müller, vorgestellt.
Einbürgerung soll künftig Thema in allen, auch den weniger anspruchsvollen Deutschkursen sein können. Die bislang vorliegenden Materialien seien zu schwierig oder speziell auf Jugendliche ausgerichtet gewesen. Das neue Material auf niedrigem Sprachniveau, so Weiß und Müller, habe sich in Probekursen bereits bewährt und sei auf großes Interesse gestoßen: »So ermuntern wir alle Lehrkräfte in den entsprechenden Kursen, diese Unterrichtseinheit zum Thema Einbürgerung durchzuführen.« Das reicht vom Abwägen der Vor- und Nachteile einer Einbürgerung bis zur Beschäftigung mit dem Antragsverfahren von Antrag bis Einbürgerungsfeier.
Mit Behörden telefonieren zu können oder Anträge auszufüllen gehört zu den Fertigkeiten, die erworben werden sollen. Aber besonders auch von einem »großen politischen Interesse« der türkischen Frauen in ihrem Probekurs berichtet Leiterin Bilgin Lutzke. »Sie brauchen aber eine Begleitung«, hebt sie hervor. Sicher auch zur Überwindung von Zweifeln, ob ein deutscher Pass für sie überhaupt erreichbar ist. Andere meinen resigniert, »ob Pass oder nicht, wir bleiben für euch ja doch immer die Türken«.
Hier spricht Günter Piening auch vom »integrationspolitischen Klima«, das sich auf die Bereitschaft zur Einbürgerung auswirke. Nimmt man die jüngsten Zahlen, dann ist dieses Klima offenbar nicht gut im Bund, in Berlin immerhin weniger schlecht. So halbierte sich bundesweit etwa die Zahl der Einbürgerungen seit 2000, in Berlin ging sie deutlich weniger zurück. Von der Bundesebene wehe Berlin scharfer Wind entgegen, klagt er. Neue rechtliche Hürden seien gegen die Einbürgerung aufgestellt worden. Undifferenzierte Debatten gegen bestimmte Einwandergruppen hätten Zweifel gestärkt, ob die Bundesrepublik Einwanderer als gleichberechtigte Bürger anerkennen wolle.
Der Hinweis »Kopiervorlage« auf dem Lehrmaterial ist also durchaus in einem weiteren Sinne gemeint. Berlin ist hier Vorreiter wie bei der Einbürgerungskampagne »PASSt MIR!«. Die Idee wurde inzwischen von Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg aufgenommen.
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