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Das Haus am Meer
»Womb« von Benedek Fliegauf
Der kleine Tommy, aufgeweckt und fantasievoll, lebt mit seinen Eltern am Meer. Eines Tages, doch nur für kurze Ferienzeit, wird ein gleichaltriges Mädchen, die Enkelin des Nachbarn, seine Gefährtin. Die Kinder fühlen eine Bindung, die nach der Rückkehr der erwachsenen Rebecca Jahre später noch lebendig ist und die Gestalt einer tiefen, reinen Liebe annimmt. Doch noch ehe die beiden ihr Glück leben können, stirbt Tom bei einem Autounfall. Und Rebecca glaubt am Unglück nicht ganz unschuldig zu sein.
Sie trifft eine Entscheidung, quasi aus dem Bauch heraus: Sie trägt den genetischen Klon seines Vaters aus. Künstlich gezeugt, wird er auch künstlich zur Welt kommen, per Kaiserschnitt. Die Mutter zieht somit ihren Geliebten als Sohn auf. Bleibt mit ihm allein in einem quasi überm Tosen der elementaren Gewalt und des Alltag schwebenden Holzhäuschen, dort, wo alles begann. Es ist wie ein Uterus, der beschützt und Leben gebiert.
Die Erfüllung des alten Traums der Menschheit – einen geliebten Menschen wieder auferstehen lassen – hier dank moderner Technik –, ist sie moralisch? Wo sind Grenzen gesetzt? Welche Gefühle und Konflikte gehen damit einher? Wie wichtig ist es zu wissen, wer man ist, wo man herkommt, und darf man dem menschlichen Individuum seine Einzigartigkeit rauben?
Benedek Fliegauf (Regie und Buch) drängt diese ethischen Fragen nicht auf. Nur wenn man es will, liest man sie heraus aus diesem Poem, das der Film als Ganzes ist. Eine poetische Geschichte, die in einem Irgendwo spielt: fast nur in der Meereslandschaft, der kraftvollen, unbeschädigten Natur, und in einem Irgendwann: einer Zeit, da das Klonen, das Unnatürliche, Künstliche eben, alltäglich geworden ist wie heute Schönheitsoperationen es sind, wenngleich noch nicht in jedem Fall gesellschaftlich akzeptiert.
Fliegauf erzählt chronologisch und im ruhigen Ton eines Märchens, dem das Drama nicht von vornherein eingeschrieben ist. Metaphorik steckt in jedem Detail. Die Musik setzt behutsam Akzente. Wie ein zartes, doch deutliches Klopfen des Schicksals an der Tür, so schlägt das Klavier den hellschwingenden Ton an. Von geradezu betörender Schönheit jedes der Filmbilder (Kamera Péter Szatmári). Wie das Objektiv die Weite und das Karge des Landschaftsstreifens am Meer eingefangen hat, und darin das Stelzenhaus, und wie es da auf zerbrechlich wirkenden Beinchen ein paar Meter über dem flachen Boden steht – es ist eine Ortschaft letzter Rettung. Eine Zwei-Siedelei absoluter Liebe.
Der in sich ruhenden Rebecca, die schon als 12-Jährige (Ruby O. Fee) eine Schicksalsahnung in sich zu tragen scheint, verleiht Eva Green Züge einer antiken Tragödin. Und Tommy, als Kind von Tristan Christopher und als Erwachsener von Matt Smith dargestellt (dessen erste Kino-Rolle), ist von Anfang an, in jedem Alter und jeder »Form«, ein Rastloser. Als am Ende Klon Tom ein junger Mann geworden ist, wird Rebecca ihn nicht halten. Doch wird sie von ihm etwas erhalten, was denkbare Konsequenz der menschlichen Reproduktionstechnik sein könnte. Ein irritierender Schluss. – Benedek Fliegauf: Ein kühner, exzellenter Regisseur.
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