Flasche – Werkzeug oder Waffe?
1.-Mai-Werfer vom Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt
Der diesjährige 1. Mai rückt näher, juristisch ist der letzte noch nicht abgearbeitet. Mit dem 21-jährigen Bruno stand gestern ein Mann vor dem Jugendgericht, der sich in den Abendstunden des 1. Mai 2010 als aktiver Flaschenwerfer auf die Polizei betätigt hat. Dafür bekam er eine Jugendstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt für zwei Jahre auf Bewährung.
Der Sachverhalt ist eindeutig und Bruno war geständig. Er bereut die Tat und entschuldigt sich bei dem Beamten, den er aus fünf Metern Entfernung an der Schulter traf. Er wollte, wie er berichtete, mit vier Freunden zu einer Antinazidemo in Friedrichshain. Doch die Wege dorthin waren polizeilich versperrt. So blieb er auf dem Kreuzberger Maifest, tankte ein wenig Bier und noch mehr Wut auf. Als die allgemeine Stimmung sich aufheizte und sich der Zorn gegen die Absperrungen der Polizei entlud, mischte auch Bruno kräftig mit. Zuvor hatte er seinen Rucksack mit leeren Flaschen gefüllt, die ein Kreuzberger »Helfer« aus einem Container freundlichst zugereicht hatte. In Abständen von fünf Minuten ließ er seine Geschosse steigen.
Schon nach dem ersten Flaschenwurf war er ins Visier von Bremer Zivilfahndern geraten, die sich in »szenetypischer Kleidung« unter die Demonstranten gemischt hatten. Sie gaben dem Greiftrupp den Hinweis, um 23.07 Uhr wurde Bruno festgenommen. Da der kräftige junge Mann zappelte und sich wand, wurde er mit aller Kraft polizeilich niedergerungen. Dabei zog er sich einen komplizierten Armbruch zu, an dem er heute noch laboriert.
Wie ist der Fall zu bewerten? Die Staatsanwaltschaft ging von einem besonders schweren Fall von Landfriedensbruch, versuchter Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte aus. Bruno habe die Flaschen als Waffe eingesetzt und damit Polizisten und unbeteiligte Bürger in Gefahr gebracht. Er sei zur Tatzeit 20 Jahre und fünf Monate alt gewesen. Ihn in seinem Tun mit einem 16-Jährigen nach Jugendstrafrecht gleichzusetzen, wäre in diesem Fall nicht gerechtfertigt. Gefordert wurde eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und vier Monaten.
Dem widersprach die Verteidigung. Die Flaschen könnten nur als gefährliche Werkzeuge und nicht als Waffe angesehen werden. Sein ganzes Handeln habe gezeigt, dass er noch nicht den Reifegrad eines Erwachsenen erreicht habe. Deshalb sei Jugendstrafrecht anzuwenden. Aus Verteidiger-Sicht wäre eine Geldstrafe oder Sozialarbeit für einen gemeinnützigen Verein straf- und schuldangemessen.
Das Gericht entschied sich für Jugendstrafrecht und stufte die Flaschen in diesem Fall als gefährliche Werkzeuge ein. Wären sie gefüllt gewesen, dann müssten sie als Waffen angesehen werden und die Strafe wäre wesentlich höher ausgefallen. So aber konnte man am unteren Rand der Strafe bleiben. Die Mindeststrafe auch deshalb, weil Bruno nicht mit dem Vorsatz gekommen war, Flaschen zu werfen. Erst in der konkreten Situation habe er sich entschieden, bei den Krawallen mitzumachen. Auch die Tatsache, dass der junge Mann bei dem Polizeieinsatz erheblich verletzt wurde, berücksichtigte das Gericht. Die Schuld dafür muss sich Bruno jedoch selbst zuschreiben, der Einsatz der Beamten war rechtmäßig, erklärte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung.
Und so schwor der arbeitslose Koch, der noch bei seinen Eltern lebt, Stein und Bein, sich nie wieder an einer Wurfaktion zu beteiligen.
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