Mitmach-Radio frisch vom Markt
Radio multicult.fm mit eigenem Studio sendet live aus der Kreuzberger Markthalle
Wer die Kreuzberger Markthalle betritt, dem eröffnet sich ein ungewöhnlicher Anblick, sobald er den Blick von den Käselaiben und Schnittblumen zur Galerie im ersten Stock hebt. Hinter einer großen Glasscheibe steht ein Mann mit Kopfhörern, der eifrig in ein Mikrofon spricht. »Weltkulturradio« steht an einem Banner an der Wand, »multicult.fm«. Während im Erdgeschoss die ersten Einkäufer des Tages die Stände entlang schlendern, wird über ihren Köpfen eine Radiosendung live produziert. Was viele nicht wissen: Sie könnten einfach die Treppen raufsteigen und mitmachen – oder zumindest zusehen, während sie an der vorgelagerten Theke einen Kaffee trinken.
Das gläserne Studio von Radio multicult.fm hat Ende März eröffnet. Für das Team ist das ein großer Erfolg. Die Nachfolger des beliebten Radio Multikulti vom RBB, das Ende 2008 unter Hinweis auf Kostengründe und gegen enormen Protest abgesetzt wurde, haben viel Arbeit investiert, um das Programm am Laufen zu halten. Punktgenau nachdem das letzte Magazin von Radio Multikulti ausgestrahlt war, ging »Multicult 2.0« im Internet auf Sendung. Das Webradio wurde von einem Teil der ehemaligen Redaktion gegründet und seitdem ehrenamtlich betrieben. Seit Mai 2010 ist es zusätzlich wieder auf einer UKW-Frequenz zu hören, nennt sich »multicult.fm« und sendet täglich fünf Stunden Programm. Aus den 25 Ehrenamtlichen der Gründungszeit ist ein Team aus 80 bis 120 Freiwilligen geworden.
»Das Erbe von Radio Multikulti öffnet uns die Türen«, schwärmt die Leiterin Brigitta Gabrin von der breiten Unterstützung. Da der Sender keine feste Förderung bekommt, ist er auf solches Engagement angewiesen. Nur so wurden die Studioräume in bester Lage ermöglicht. Durch das Entgegenkommen des Bezirks und der Marheineke Markthalle konnte ein günstiger Mietvertrag ausgehandelt werden, ein Architektenbüro erklärte sich bereit, das Studio fast kostenlos zu bauen.
Nun hat multicult.fm zum ersten Mal einen festen Ort mit professioneller Technik. Bewusst hat man sich gegen ein Studio in einem Berliner Hinterhof entschieden und setzt auf gute Sichtbarkeit, die zum mitmachen animieren soll. »Markthallen waren schon immer Orte, an denen man sich austauschte und miteinander ins Gespräch kam«, sagt Gabrin. Wenn Jugendliche spontan einen Rap singen wollen, können sie das tun, und neugierige Besucher können als Gäste in der Livesendung auftreten, die montags von 7 bis 9 Uhr aufgezeichnet wird. Gerade steht der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz, mit dem Moderator hinter der Scheibe und spricht über Konzepte gegen soziale Verdrängung. Das Morgenmagazin ist erst der Anfang, bald soll so viel wie möglich live produziert werden. Multicult.fm verfolgt dabei ein klares Ziel: Die multikulturelle Gesellschaft, die Berlins Alltag prägt, auch im Radio abzubilden.
Projektinitiatorin Gabrin, die ursprünglich Psychologin ist und einst nur wegen Radio Multikulti Journalistin wurde, betont die Mehrstimmigkeit des Programms. Jeden Abend laufen zweisprachige Sendungen, etwa auf Spanisch oder bald auch Chinesisch. Im Internet sind sie in der Fremdsprache zu hören, auf UKW mit deutschen Übersetzungen verflochten. Mit dem neuen Studio wächst der Mut, auch die nächsten Ziele zu erreichen. Mit der »Global Music Academy«, die in einer ehemaligen Schule nebenan entstehen soll, will multicult.fm eng zusammenarbeiten und dort ein zweites Studio einrichten. Außerdem ist eine Junior Akademie geplant, bei der Jugendliche im Austausch gegen das Verteilen von Werbung für multicult.fm regelmäßig an Radio-Workshops teilnehmen können. Auch ein fester Sponsor wird noch gesucht. Vorerst richtet das Team die Aufmerksamkeit aber darauf, sich in den neuen Räumen einzurichten. Demnächst werden Lautsprecher das Liveprogramm direkt in die Markthalle übertragen, eine Videoübertragung auf großem Bildschirm soll folgen.
Mulicult.fm auf 88,4 (Berlin) und 90,7 MHz (Potsdam), Marheineke Markthalle, www.multicult.fm
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