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Nachtflug ist teuer und macht krank
Bei einer Anhörung zum Großflughafen Schönefeld herrschte im Landtag großer Andrang
Groß war das Interesse und unübersehbar auch das Polizeiaufgebot – gestern veranstaltete der Infrastrukturausschuss des Landtags eine Anhörung über das Nachtflugverbot am künftigen Großflughafen BBI in Schönefeld. Gegner und Befürworter schenkten einander nichts. Die Ausschussvorsitzende Kornelia Wehlan (LINKE) sah sich zu dem Hinweis gezwungen, dass Beifalls- oder Missfallensbekundungen während einer parlamentarischen Anhörung im Saale nicht gestattet sind.
Weil die Sitzgelegenheiten nicht ausreichten, wurde die Anhörung in verschiedene Räume übertragen. Etliche Nachtfluggegner protestierten weiter vor dem Eingang des Landtags. Unter den rund 150 Menschen befand sich der einstige Potsdamer Oberbürgermeister Horst Gramlich, der sein Häuschen im lärmbedrohten Caputh gebaut hat.
Anlass für die Anhörung war ein Antrag von Abgeordneten der Grünen und einzelner Abgeordneter der FDP und der SPD zum »Schutz der menschlichen Gesundheit: Umfassendes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr«. Damit soll erreicht werden, dass die bislang durch das Bundesverwaltungsgericht festgesetzte Kernzeit des Flugverbotes um drei Stunden erweitert wird, und nicht nur für die Zeit zwischen 0 und 5 Uhr gilt. Während CDU, SPD und FDP insgesamt die Ausdehnung des Flugverbots nicht befürworten, zeigt sich die LINKE unentschieden. Sie persönlich neige zu mehr Ruhezeiten, sagte Wehlan. Doch könne die Frage des wirtschaftlichen Betriebes und einer eventuell ständigen Zuschussforderung an das Land nicht unbeachtet bleiben.
Zunächst hatten jene das Wort, die eine Verlängerung der Ruhezeiten ablehnen. Für Christian Amsinck von der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg würde die Ausdehnung des Nachtflugverbots »deutlich zu Lasten des BBI gehen«. Das würde den erhofften Wachstumsschub für die Region in Frage stellen. Er halte es für »zwingend erforderlich«, dass es in den Randzeiten 22 bis 24 Uhr und 5 bis 6 Uhr Starts und Landungen geben darf. Gelächter erntete Amsinck bei einigen Zuhörern für die Bemerkung, auch die Anwohner würden sich »zusätzliche Arbeitsplätze« versprechen.
Für Geschäftsreisende seien frühe und späte An- und Abflugzeiten wichtig, meinte für die Deutsche Lufthansa Oliver Wagner. Wären Landungen schon ab 22 Uhr nicht mehr erlaubt, dann müsste das letzte Flugzeug in Frankfurt am Main um 20 Uhr nach Berlin abheben. Wagner warnte, dass die Lufthansa dann gezwungen wäre, Flugzeuge an andere Standorte zu verlegen. Sein Unternehmen würde in Berlin einen hohen zweistelligen Millionenumsatz verlieren und sähe sich gezwungen, dies anderswo auszugleichen. Wagner versicherte, die Lufthansa investiere viel Geld in Maschinen, die leiser sind als ältere Modelle. Für die Industrie- und Handelskammer Cottbus meinte Wolfgang Krüger, der BBI dürfe nicht seine Chance verspielen, »ein Luftdrehkreuz zu werden«. Berlin habe gegenüber westdeutschen Airports den Vorteil, dass die Flugzeit nach Asien eine Stunde kürzer sei.
Dagegen bestritt Dieter Faulenbach da Costa von Airport Consulting, dass ein erweitertes Nachtflugverbot 20 000 Arbeitsplätze kosten würde. Es müsse nicht mit weniger Jobs gerechnet werden, weil das Nachtflugverbot die Zahl der Flüge gar nicht verringern müsse. »Arbeitsplätze gehen nur verloren, wenn der Flugverkehr geringer wird.« Außerdem habe sich gezeigt, dass die Luftfahrtindustrie vorwiegend prekäre Arbeitsplätze schaffe. Übrigens sei ein Nachtflugbetrieb für den Betreiber unwirtschaftlich. Mehr als 90 Prozent des Umsatzes verbuchen Flughäfen weltweit in den Schichten von 6 bis 22 Uhr, erläuterte der Experte. »In der Nachtschicht decken die Einnahmen die Kosten nicht, es muss also aus dem Tagesbetrieb quersubventioniert werden.« Die Drohung der Verlagerung kann nach Auffassung von Faulenbach da Costa unbeachtet bleiben, weil der BBI weit und breit allein stehe, also Konkurrenz nicht zu fürchten habe.
Auf die Folgen des Fluglärms gerade in der Nacht ging Eberhard Greiser ein: »Lärm macht krank« oder er tötet sogar durch das erhöhte Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Greiser zitierte Untersuchungen aus Großbritannien, den Niederlanden, Italien und der Schweiz. Bei Kindern beeinträchtige Fluglärm die Lesefähigkeit erheblich, machte er geltend. Auch die Kosten für Krankheit müssten in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einfließen, gab Greiser zu bedenken.
Thomas Jühe, Bürgermeister der Stadt Raunheim im Weichbild des Frankfurter Flughafens, schilderte, wie es ist, wenn es bei »Ostwetter 700 Überflüge in 24 Stunden« über der Kommune gibt – und das in einer Höhe zwischen 350 und 270 Metern. Dringend sei da in der Nacht eine längere Erholungsphase geboten. Wenn »früh der erste Flieger um 4 Uhr kommt, bin ich wach und mache das Fenster zu. Im Winter geht es, im Sommer ist es eine Katastrophe.« Von passiven Schallschutzmaßnahmen möge man sich nicht zu viel versprechen.
Ferdi Breitbach vom Bürgerverein Brandenburg-Berlin erklärte, alles fuße auf der falschen Standortentscheidung. In Schönefeld müsste endlich die Notbremse gezogen werden. Der neue Hauptstadtflughafen müsste in Sperenberg errichtet werden. Angesprochen auf die Unsummen, die schon in Schönefeld verbaut sind, sagte er, in wenigen Tagen werde sein Verein ein Konzept sinnvoller Nachnutzung des BBI-Geländes vorlegen, in dem nachgewiesen werde, dass »kein Geld in den märkischen Sand gesetzt« werden müsse.
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