Botschaft mit Geschmäckle
Sachsen wirbt in Baden-Württemberg um von Grün-Rot verschreckte Unternehmen
Die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg war noch nicht einmal gewählt und dennoch begangen einige führende Wirtschaftsvertreter im Ländle bereits, eifrig am Bedrohungsszenario durch einen potenziellen grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu stricken. So gab Hans-Eberhard Koch, Präsident des Landesverbandes der baden-württembergischen Industrie, schon einmal die gewünschte Marschrichtung für eine sich abzeichnende neue Regierung aus Grünen und SPD vor. »Bitte setzen Sie die marktwirtschaftliche Politik des Landes fort. Die Industrie kann die notwendigen Investitionen in den nächsten Jahren nur stemmen, wenn Steuern und Abgaben angemessen und flexible Arbeitsverhältnisse möglich bleiben«, so LVI-Präsident Koch in einer Erklärung kurz vor der Wahl.
Die schwarz-gelbe Regierung in Sachsen nahm nun die Steilvorlage der Industrielobby dankbar auf und schaltete am vergangenen Wochenende mehrere halbseitige Anzeigen in Stuttgarter Zeitungen, darunter in der Regionalausgabe der »Bild« und den »Stuttgarter Nachrichten.« Das gewählte Motiv zeigt ein Labor der Halbleiterindustrie, welche von der schwarz-gelben Landesregierung gerne als sächsische Zukunftsbranche bezeichnet wird. Im darunter stehenden Reklametext heißt es in Anspielung auf eine frühere Werbekampagne des Landes Baden-Württemberg: »Liebe Unternehmer, wer spricht schon Hochdeutsch.« Der Slogan aus Süddeutschland lautete damals: »Wir können alles außer Hochdeutsch.«
Doch auf einer kleinen Stichelei ließen es die Werbefachleute aus Sachsen nicht beruhen. In der Anzeige wirbt man um womöglich von der grün-roten Machtübernahme verschreckte Investoren. »In Sachsen ist die Welt noch in Ordnung. Kommen Sie zu uns!«, heißt es vollmundig über den seit 20 Jahren fest in CDU-Hand befindlichen Freistaat. An den möglichen Erfolgsaussichten einer solchen Abwerbeoffensive darf indes gezweifelt werden. Fest steht bisher nur, dass die Schaltung der Anzeigen die sächsischen Steuerzahler etwa 75 000 Euro gekostet hat.
Deutliche Worte kommen daher aus den Reihen der sächsischen Opposition. »Offenbar sind den Sachsen-Werbern die Pferde durchgegangen. Ausgerechnet in Baden-Württemberg, das mit der notverkauften sächsischen Landesbank eine Altlast der hiesigen CDU-Finanzpolitik am Hals hat und über den Länderfinanzausgleich den Freistaat am Leben hält, mit Steuergeldern Unternehmer-Abwerbung zu betreiben, ist schlicht stillos«, kritisiert die Fördermittelexpertin der LINKEN, Verena Meiwald. Nach Ansicht der Abgeordneten wären die verwendeten Finanzmittel an anderer Stelle, etwa für die Rücknahme der Kürzungen im Bereich der Jugendarbeit, deutlich besser aufgehoben gewesen. »Dann wäre wenigstens die Welt in Sachsen ein kleines bisschen mehr in Ordnung«, so Maiwald gegenüber dem ND.
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