Rächt sich die Natur?

  • Harry Nick
  • Lesedauer: 3 Min.
»Es rächt sich nicht die Natur, sondern fehlerhaftes menschliches Verhalten.«
»Es rächt sich nicht die Natur, sondern fehlerhaftes menschliches Verhalten.«

In Zeiten schlimmer Heimsuchung der Menschen durch Naturkatastrophen liegt die Warnung von Friedrich Engels nahe, dass die Natur sich rächt für unsere vermeintlichen Siege über sie, derer wir uns so gerne schmeicheln. Natur kann man nicht besiegen, nicht zerstören, sondern nur verändern und Gleichgewichte findet sie immer wieder selber. Das müssen aber nicht solche sein, die menschliches Leben erleichtern. Auch das Erdbeben in Japan war die Korrektur eines Ungleichgewichts.

Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur ist einseitig. Glaubte man, dass die Natur ein Verhältnis zum Menschen haben könnte, käme der Satz, dass er ihr einfach gleichgültig ist, der Wahrheit wohl am nächsten. Der Mensch als Erdenbewohner kann den Gefahren nicht entgehen, die aus dem Erdinneren und aus dem Kosmos kommen. Erdbeben und Tsunami sind kein Menschenwerk, auch wenn es sich manchmal so anhört.

Was ist neu in der heutigen Gattungssituation des Menschen? Dass sein Wirken auf dieser Erde Veränderungen hervorbringen kann, die in ihrer Zerstörungskraft globalen Naturveränderungen gleichkommen. Wenige Menschengenerationen können Klimaveränderungen bewirken, für welche die Natur geologische Zeitalter bräuchte. Und die angehäuften Waffenarsenale haben kein geringeres Zerstörungspotenzial als der mögliche Einschlag eines Himmelskörpers von 20 Kilometer Durchmesser; beide könnten alles Leben auslöschen.

Die menschliche Spezies ist die einzige mit Verstand begabte und unterscheidet sich von anderen Lebewesen durch zweierlei: das Streben nach Verbesserung des Lebens und die praktische Möglichkeit, dies durch lebendige Arbeit zu erreichen. In diesem Stoffwechselprozess zwischen Mensch und Natur sind die Naturgesetze die unveränderbaren Größen, ist das menschliche Handeln das aktive, Zweck setzende Moment. Es rächt sich nicht die Natur, sondern fehlerhaftes menschliches Verhalten. Vor allem solches, das auf Verbesserung nur der kurzen, lokalen Lebensverhältnisse vornehmlich für bevorteilte Gruppen zielt.

Das erste Gebot globaler Weltsicht ist von Marx: »Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias (gute Familienväter, d. Red.) den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.«

Globalität der Weltverhältnisse verlangt eine Weltvernunft, auf wirtschaftlichem Gebiet einen Weltwirtschaftsrat, eine Weltwährung und eine Weltbank, die diesen Namen auch verdienen und nicht Dienstleister von Großmächten und Konzernen sind.

Wenn heute über das Verhältnis von Mensch und Natur nachgedacht wird, kann es nicht nur um die atomare Gefahr und Klimaveränderungen gehen. Es muss die gesamte Kette der Veränderungen in diesem Stoffwechselprozess neu durchdacht werden – von unaufschiebbaren Veränderungen sowohl in der Produktionsweise wie in der Verteilungsweise, der Lebensweise und Kultur.

Ausgangs-, Augenpunkt und Ziel aller Überlegungen kann allein der Mensch sein. Ob naturfreundliche Verhaltens- und Lebensweisen ihre ethischen Quellen im Respekt vor dem »Eigenwert der Natur«, vor göttlicher Schöpfung oder in anderem haben – ihre Sinnhaftigkeit erfüllt sich allein im Streben nach Bewahrung und Verbesserung menschlichen Lebens. Eingeschlossen hierin ist die Sorge um jegliche Kreatur, denn nur der Mensch vermag mit ihr mitzuleiden.

In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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