Händler, Hehler, Profiteure
Ausstellung zum Berliner Kunsthandel 1933 bis 1945 in der Neuen Synagoge
In der wissenschaftlichen Forschung wie auch im öffentlichen Bewusstsein ist der Kunsthandel in Berlin in jener Zeit, im Gegensatz zur Beutekunst, kaum präsent. »Unsere kleine Institution möchte nun einen ersten Beitrag dazu leisten, dass sich dies ändert«, meint Christine Fischer-Defoy, Vereinsvorsitzende des Aktiven Museums. »Der Titel ist dabei durchaus in seiner Doppeldeutigkeit zu verstehen. Es gab Galeristen, die besondere Kunstwerke vermittelten, aber auch Kunsthändler, die als Hehler von der nationalsozialistischen Verfolgung profitierten.«
Dort, wo sich heute wieder Galerien ansiedeln, so in Tiergarten oder Mitte, gab es sie auch schon in der 1920er Jahren. Die 18-köpfige Arbeitsgruppe hat Berliner Adressbücher aus den Jahren 1928 bis 1943 nach Galerien, Kunst- und Aktionshäusern durchforstet und ist auf eine Liste mit 800 Einrichtungen gekommen, die nun als riesige Exel-Datei in der Ausstellung hängt. 312 von ihnen wurden nach 1933 aus »rassischen Gründen« aus dem Handel ausgeschlossen.
Die Ausstellung erzählt 14 exemplarische Geschichten und dokumentiert, wie die NS-Kulturpolitik auf eine bis dahin weitgehend unabhängige Branche Einfluss nahm. Die Geschichte von Karl Buchholz ist eine von ihnen. In der Leipziger Straße 119/120, wo heute ein Hochhaus steht, hatte der Buch- und Kunsthändler seit 1934 sein Geschäft. Im ersten Stock befand sich eine Galerie zeitgenössischer Kunst, die Curt Valentin leitete. Als jüdischer Angestellter durfte er ab 1936 nicht länger beschäftigt werden. Er ging ins Exil nach New York und gründete mit Absprache des Kunsthändlers eine Galerie, die Werke der deutschen Moderne anbot.
Buchholz, der der NS-Ideologie nicht nahe stand, aber gute internationale Kontakte hatte, wurde ab 1938 beauftragt, so genannte entartete Kunst gegen Devisen zu verkaufen, bis er 1942 selbst von der Reichskammer für bildende Künste ausgeschlossen wurde.
Anschaulich wird dargestellt, wie sich der Berliner Kunstmarkt zwischen 1933 und 1945 wandelte. Zahlreiche Kunsthandlungen mussten schließen, während die Auktionshäuser an Bedeutung gewannen und nicht nur Kunst versteigerten, sondern auch Wohnungseinrichtungen von meist jüdischen Berlinern. Weitere Tafeln zeigen die historischen Zusammenhänge, die durch Filme oder Hörbeispiele ergänzt werden. In einer Datenbank kann man selbst recherchieren. Darüber hinaus sind zwei Originale zu sehen, die den Eigentümern noch nicht zurückgegeben werden konnten. »Dabei sind auch die Rückseiten interessant, weil man anhand der Beschriftung verfolgen kann, wann das Bild wo war«, schilderte zur Ausstellungseröffnung die Vorsitzende des Aktiven Museums. Auch die sind als Fotografien in der Ausstellung zu sehen.
Begleitet wird die Schau, die vom Hauptstadtkulturfonds gefördert wurde, mit einem umfangreichen Programm. So gibt es Stadtführungen durch das historische Galerienviertel in Tiergarten, Lesungen u.a. zum Kunstraub im Krimi, Podiumsdiskussionen und eine kleine Filmreihe.
Bis 31.7., Centrum Judaicum, Oranienburger Str. 28-30, Mitte, So., Mo. 10-20, Di.-Do. 10-18, Fr. 10-17 Uhr, Sa. geschlossen, Infos unter www.aktives-museum.de, Tel.: 030 / 263 98 90 39
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