Dumm tötet besser – und die Bundeswehr wirbt auf unterstem Niveau
Per Internet und Videoclips versucht man Nachwuchs zu ködern – mangels anderer Karrierechancen findet die Truppe vor allem im Osten Bewerber
»Oops! www.treff.bundeswehr.de seems to be having issues.« Verdammt, Fehlermeldung! Gerade diese Internetseite war so »informativ«! Und fast so unabhängig wie der »ganz private« Facebook-Auftritt, der von Bundeswehr-Öffentlichkeitsleuten und PR-Beratern gesteuert wurde und wird. Inzwischen hat man sich ein wenig besser getarnt, doch nach wie vor versucht die Truppe, ihre Bauernfängerei per virtuellem Kumpelgefühl zu gestalten.
Da finden sich so ganz zwanglose Einträge wie der: »Also, wenn jemand Fragen zur Ausbildung zum Hubschrauberführer beim Heer hat, der kann mich gerne fragen.« Doch wirklich etwas los ist auf der Facebook-Seite nicht. Aktuell warb lediglich das Berliner Maxim-Gorki-Theater für eine Veranstaltung in seinem Haus. Thema: »Das gespaltene Land. Die Deutschen und ihre Bundeswehr«. Mit dabei: der Wehrbeauftragte und eine Buchautorin.
Nicht sonderlich erfolgreich läuft wohl auch der Mittwoch-Chat, zu dem Bundeswehr.de einlädt. Aber die Werbemillionen wider das Nachwuchsproblem lassen sich auch noch anders verbraten. Beispielsweise im Fernsehen und bei YouTube. Hinter Quallen erscheint ein Kampfschwimmer, der verwandelt sich in ein 212er U-Boot, Fallschirmjäger fallen aus einer Transall, Feldjäger hocken auf heißen Motorrädern, ein hübsche Pilotin reitet einen noch heißeren Eurofighter-Jet ... Dazu erzählt eine markante Stimme, dass man »Herausforderungen meistern«, »Teamgeist beweisen« und »Technik beherrschen« könne. Beim Bund natürlich, da, wo eine »Karriere mit Zukunft« wartet. Über Auslandseinsätze, über das Töten und Sterben ist da weder etwas zu sehen noch zu hören. Ja und, sagt eine für das höchst mittelmäßige Werbestück Verantwortliche aus der Zenithmedia-Agentur im ARD-Panorama-Magazin: »Wenn Sie einen Schokoriegel bewerben, dann sagt Ihnen auch keiner, dass Sie davon fett werden können.« Wenn das nicht fett ist ...
Angeblich, so heißt es, sei die Bundeswehr ein Spiegel der Gesellschaft. Viel bezweifeln das, doch da ist etwas dran. Beispielsweise widerspiegelt die Truppe soziale und arbeitsmarktpolitische Realitäten. Also auch das Ost-West-Verhältnis. Darauf machte unter anderem Michael Wolffsohn, Professor an der Bundeswehr-Universität in München, jüngst per Essay aufmerksam. In den neuen Ländern leben 16 Prozent aller Bundesbürger, der Anteil der Ostdeutschen beim Bund beträgt aber rund 30 Prozent. Obwohl die Ossis in der Regel einen höheren Bildungsgrad erreichten als ihre westlichen Kameraden, bleibt vielen keine andere berufliche Alternative.
Beruf Kanonenfutter. Angesichts Afghanistans und der grundsätzlichen Orientierung auf eine »Armee im Einsatz« ist diese Zuspitzung zwingend. Natürlich würde sich die Bundeswehr über mehr qualifiziertere Bewerber freuen, doch die bleiben aus. Aber nicht nur bei Luftwaffe und Marine werden Spezialisten gebraucht. Gerade im infanteristischen Bereich wäre mehr Grips wünschenswert. Doch abgesehen von dem Risiko ist der Job im Tarnfleckzeug auch nicht sonderlich attraktiv. So sieht sich die militärische Führung gezwungen, auch sogenannte Geringerqualifizierte, darunter »Personen mit Migrationshintergrund« einzustellen. Da auch der Wert der »Inneren Führung« bei der Ausbildung immer mehr vernachlässigt wird, ist man vom demokratischen Berufsbild »Bürger in Uniform« weit entfernt. Was nicht zuletzt Auswirkungen auf die Kampfführung der deutschen Soldaten haben kann. In den US-Streitkräften hat man die entsprechenden Erfahrungen bereits mehrfach machen müssen: Dumm tötet besser ...
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