Hochschulen als Morgengabe an den Chef
CDU und SPD in Sachsen-Anhalt unterschreiben Koalitionsvertrag / Parteitage müssen noch zustimmen
Ihren 46. Geburtstag hat Sachsen-Anhalts SPD-Chefin Katrin Budde gestern auf ungewöhnliche Weise begangen: Sie unterzeichnete mittags in der Staatskanzlei gemeinsam mit CDU-Kollegen Thomas Webel einen Vertrag, in dem sich ihre Parteien nur 24 Tage nach der Landtagswahl auf die Eckpfeiler für weitere fünf gemeinsame Regierungsjahre einigten. Beide hatten seit 2006 eine Koalition gebildet. Erstmalig, so der designierte CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff, sei damit ein schwarz-rotes Bündnis im Amt bestätigt worden.
Die SPD, die zur Wahl bei 21,5 Prozent stagnierte, hatte nur mit der auf 32,5 Prozent abgerutschten CDU Gespräche geführt und eine Offerte der LINKEN ausgeschlagen, weil diese mit 23,6 Prozent stärker war. Um ein befürchtetes Umschwenken der Sozialdemokraten zu verhindern, hatte die CDU in den Verhandlungen erhebliche Zugeständnisse gemacht und teils Vorhaben zugestimmt, die sie im Wahlkampf noch strikt abgelehnt hatte. Dazu gehören die Einführung einer Gemeinschaftsschule, die das bestehende gegliederte Schulsystem ergänzen und gesetzlich verankert werden soll. Zudem übernimmt die SPD, wie frühzeitig im Wahlkampf gefordert, das Kultusministerium. Auch soll ein Vergabegesetz auf den Weg gebracht werden, was die CDU in zurückliegenden Jahren verhindert hatte. Die beschlossene Rückkehr zum Rechtsanspruch auf eine ganztägige Kita-Betreuung für alle Kinder war ebenfalls eine SPD-Forderung. Eine frühere schwarz-gelbe Koalition hatte mit Unterstützung der SPD einst durchgesetzt, dass Kinder arbeitsloser Eltern die Kitas nur halbtags besuchen dürfen.
Im Gegenzug bestand die CDU darauf, dass die ins Wirtschaftsministerium wechselnde bisherige Kultusministerin Birgitta Wolff die Zuständigkeit für Hochschulen und Wissenschaft behält. Die auf Drängen der Jusos beschlossene Forderung des SPD-Parteirats, diesen Punkt nachzuverhandeln, ließ Haseloff abperlen. Die Verlagerung sei für Haseloff und die CDU ein entscheidender Punkt gewesen, räumte der alte und neue Finanzminister Bullerjahn ein: »Das muss ich akzeptieren.« Mit Problemen auf dem Parteitag, der am Samstag den Koalitionsvertrag absegnen muss, rechne er aber nicht, sagte er dem ND unter Verweis auf das Gesamtpapier: »Wir haben uns nicht unter Wert verkauft.« Auch bei der Union, die heute abend in Bernburg berät, wird trotz anfänglichen Murrens über Zugeständnisse an die SPD kein Widerstand mehr erwartet. Der Parteivorstand habe einstimmig die Annahme des Papiers empfohlen, sagte Webel.
Bestätigt die Basis beider Parteien das 70-Seiten-Papier, soll am Dienstag in der konstituierenden Sitzung des Landtags Haseloff zum Ministerpräsident gewählt werden; danach werden die Fachminister ernannt, von denen CDU und SPD je vier stellen. Vier Wochen nach der Wahl würde dann die Regierung stehen. »Die Leute erwarten, dass wir an die Arbeit gehen«, sagte Bullerjahn – und damit an die Umsetzung eines Vertrags, der sich eingangs zur Einhaltung der Schuldenbremse bekennt, einen Abbau von 8000 auf dann noch 46 800 Stellen im öffentlichen Dienst festschreibt und den Verzicht auf Studiengebühren fixiert. Vorgesehen sind eine Novelle des Polizeigesetzes und die Einrichtung eines Kulturkonvents, der ein Konzept für die Kultur im Land erarbeiten soll. Aufgelegt werden soll ein Landesprogramm für Demokratie und Weltoffenheit. Eine Initiative für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, wie von der SPD im Wahlkampf gefordert, gibt es dagegen nicht.
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