Verstörende Köpfe
Hans Vent stellt in der Galerie der GBM aus
Der Sitzungsraum der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde dient auch als Ausstellungsraum. Hans Vent hat dort jetzt ein Dutzend Studien von weit überlebensgroßen Köpfen an die Wände gehängt. Er malte sie seit den 80er Jahren, hauptsächlich in jüngster Zeit, mit Tempera oder neuerdings Acrylfarben auf Papier. Einige kleinplastische und druckgrafische Arbeiten sind dazugesellt.
Gemalte Köpfe sind eigentlich etwas Traditionelles. Das kommt dem Publikum vertraut entgegen. Hier werden aber viele, die keinen engeren Umgang mit zeitgenössischer Kunst pflegen, verstört reagieren. Das Traditionelle ist verwischt, verbeult, zerfetzt, schwer erkennbar oder auch bedrohlich. Wenn wir beginnen, nach dem Warum zu fragen, kommt eine der grundlegenden Funktionen von Kunst in Gang.
Der Weimarer Hans Vent, jetzt 77, kam 1953 zum Studium nach Berlin, wo er bis heute lebt. Mit einer Hiddensee-Landschaft war er 1961 einer jener Maler, die in der von Fritz Cremer initiierten Ausstellung »Junge Künstler« eine legendär gewordene Verdammung durch die damalige Kulturpolitik erfuhren. Er beugte sich aber nicht den Forderungen nach Themen, die als sozialistisch bezeichnet wurden, sondern ging seinen eigenen Weg mit Landschafts- und Architekturdarstellungen, Figuren am Ostseestrand und ersten Beispielen von Kopfdarstellungen. Wie einige gleichaltrige Maler in Berlin prüfte er, was von Impressionisten, Cézanne und Expressionisten zu lernen wäre. Er ging immer vom Augenerlebnis aus, malt aber im Atelier, nachdem er lange über das Gesehene nachgedacht hat. Er will sichtbar machen, dass Lebendiges immer in Bewegung ist, sich verändert.
Die Kunstpolitik der DDR fand sich mit diesem Einzelgänger ab. Fritz Cremer trug dazu bei, dass Vent 1974-75 eines der Gemälde für das Foyer des Palastes der Republik beisteuern konnte, und seine »Menschen am Strand« wurden eines der künstlerisch überzeugendsten Werke in der Geschichte der DDR-Malerei. Vent unterrichtete einige Jahre in Weißensee, durfte einige Male in den Westen reisen, einige Male nicht. Die Kunstakademie gab ihm 1982 den Kollwitzpreis. Im Wendejahr 1990 wurde er ihr Mitglied und ist es auch in der jetzigen Berliner Akademie.
Vent hat sich als vorzüglicher Porträtist bewiesen, aber er scheut die Gefahr des Idealisierens und vermeidet darum die Wiedergabe von identifizierbaren Personen. Er studiert die unerschöpfliche Vielfalt der Antlitze und damit Charaktere seiner Mitmenschen, aber jeder bleibt ein anonymer Typus. Dass die meisten Gesichter, die er uns sehen lässt, bedrückt, seltsam oder bedrohlich wirken, auch karikiert erscheinen können, zeigt Erfahrungen mit der Gesellschaft an. Vent wechselt dabei ständig Blickwinkel und Ausschnitte – von der Vorderansicht bis zum verschwindenden Profil, vom formatfüllenden Gesicht bis zum Schulterstück.
Ebenso verschieden sind die physiognomische Genauigkeit, der Farbencharakter, das Verhältnis von Farbflächen und heftig bewegten Linien. Immer macht es den Eindruck, als habe der Maler einen rasch vorübergehenden Anblick eingefangen. Die Dargestellten sind keine vollkommenen, idealen Leitbilder, und ihre Darstellung bleibt gleichsam unvollendet, eine versuchsweise Annäherung. Anscheinend nur flüchtig skizziert, beanspruchen sie nicht, eine abschließende Meinung über eine Person zu formulieren. Denn diese Person kann sich ändern, und der Künstler will kein Allwissender sein.
Hans Vent ist ein Nachdenklicher, Kritischer, Freundlicher, der wiederholt gesagt hat, dass er nach Harmonie strebt. Die ist aber immer voller Spannungen. In der Wirklichkeit bleibt sie ein Sehnsuchtsziel. In der Gestaltung seiner Bildfläche kann sie der Maler herstellen, auch wenn sie aus Erschreckendem besteht. Damit setzt Kunst unser Nachdenken in Gang, macht uns klüger.
GBM-Galerie, Berlin-Lichtenberg, Weitlingstr. 89, bis 27. 5., Mo.-Fr. 10-16 Uhr
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