Mit einem alten Buch fing alles an

Harald Kintscher erforscht seit zwanzig Jahren die Mahlsdorfer Geschichte

  • Barbara Staacke
  • Lesedauer: 3 Min.
Harald Kintscher mit seinem Mahlsdorfer Kunstkalender
Harald Kintscher mit seinem Mahlsdorfer Kunstkalender

Einer, der viel über Mahlsdorf zu erzählen weiß, ist Harald Kintscher. Seit zwei Jahrzehnten widmet sich der gelernte Historiker der Geschichte des Ortes. Gerade feierte er seinen 80. Geburtstag. Und immer noch ist sein Forscherdrang ungebremst.

Kein Wunder, gibt es doch noch eine Menge zu berichten. Schließlich reicht die erste urkundliche Erwähnung des Ortes bis ins Jahr 1345 zurück. Das fand der Mahlsdorfer bei seinen Recherchen heraus. Dabei fiel ihm auf, dass 650 Jahre Mahlsdorf bevorstanden. »Anderenfalls wäre das Jubiläum 1995 glatt verschlafen worden«, erzählt Kintscher. So aber ist es seiner Beharrlichkeit zu verdanken, dass es nicht sang- und klanglos unterging.

Das gilt auch für die Siedlung »Kiekemal«, um die sich mancherlei Anekdoten ranken. Demnach soll der Alte Fritz den Ort im südlichen Zipfel Mahlsdorfs vor mehr als 250 Jahren für die ersten Kolonisten höchst persönlich ausgemacht haben. »Ach, kiek er mal«, soll er angesichts des idyllischen Fleckchens gerufen haben.

»Bis dato wusste kaum jemand etwas über Mahlsdorf«, erinnert sich der gebürtige Stettiner, den es über Umwege 1966 in den Berliner Bezirk verschlug. Heute ist der Mitbegründer des einstigen Hellersdorfer Heimatvereines vielen Bewohnern durch seine historischen Führungen, Vorträge und Kiezgeschichten bekannt.

Doch wie kam es dazu? Irgendwann habe ihm mal ein Nachbar mit den Worten »Lies das mal« ein Buch von 1912 in die Hand gedrückt. Und so kam Kintscher erstmals mit der alten Mahlsdorfer Ortschronik des ihm damals unbekannten Heimatforschers Paul Großmann (1865-1939) in Berührung. Er fing Feuer und begann neben seiner Arbeit an der Akademie der Wissenschaften die Ortsgeschichte aufzuarbeiten. Zu diesem Zweck sammelte er Dokumente, befragte Zeitzeugen und ging Schicksalen von Persönlichkeiten nach – beispielsweise dem der Friedenskämpferin Alice Hertz, die 1933 vor den Nazis flüchtete, nach Detroit emigrierte und sich dort – 82-jährig – aus Protest gegen den Vietnamkrieg 1965 öffentlich verbrannte.

Auch das Leben des Autors selbst wurde für den Historiker zum interessanten Forschungsfeld. Denn Großmann war nicht nur Ortschronist und Kommunalpolitiker, sondern schrieb auch Gedichte. Allein über 140 Liedtexte, die von namhaften Komponisten vertont wurden, stöberte Kintscher in der Staatsbibliothek auf. Davon angeregt, initiierte er ein literarisch-musikalisches »Paul-Großmann-Programm« im Gutshaus Mahlsdorf. Er selbst gab amüsante Geschichten wie die vom Nachtwächter Siebert, dem Strolche übel mitspielten, oder »Kirchenkater Othello« zum Besten.

Etliche Episoden fußen auf dem von Kintscher und seiner Mitautorin Dr. Sabine Kadow unter dem Namen »Links und rechts der Wuhle« herausgegebenen ersten Kalender für den Großbezirk. Doch nach fünf Jahren ging den Machern das Geld aus. Und somit endete die Ära eines so hoffnungsvoll begonnenen Projektes.

Doch Kintscher ließ sich nicht entmutigen. »Auch Großmann stieß seinerzeit auf wenig Interesse für seine Werke und blieb darauf sitzen«, sagt er. Heute würden sie als begehrtes Sammlerobjekt hoch gehandelt. Eigentlich könnte sich der Jubilar nun bequem zurücklehnen. Doch davon kann keine Rede sein. Gerade ist er dabei, eine für den 13. Mai avisierte Ausstellung im Kieztreff »Kiek in« am Hultschiner Damm 94 über die Künstler, die in Mahlsdorf ihre Spuren hinterließen, vorzubereiten. »Kaum jemand beachtet deren Werke, geschweige denn einer weiß, von wem sie stammen«, sagt er. Ein Grund mehr für ihn, aktiv zu bleiben.

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